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Melodie des Südens

Melodie des Südens

Titel: Melodie des Südens
Autoren: Gretchen Craig
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nickte. Er wartete auf nichts so sehr wie auf das Wiedersehen mit Simone. Er war drei Jahre fort gewesen, und sie hatte in der Zwischenzeit nicht geheiratet.
    »Und nun bist du also Arzt«, sagte Pierre. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie stolz deine Mutter ist, einen so gebildeten Sohn zu haben.«
    Es klopfte an der Tür, der Butler öffnete, und einige Augenblicke später trat Yves Chamard ein, die Hand ausgestreckt. »Ich habe gehört, das Schiff aus Frankreich ist endlich da!« Gabriel nahm die Hand seines jüngeren Bruders und zog ihn in eine kräftige Umarmung. Sie küssten sich auf die Wangen, lachten und umarmten sich noch einmal.
    Schließlich machte sich Yves los, um sich zu Cleo hinunterzubeugen. »Bonjour, meine Schöne.« Cleo hob das Gesicht, um den Kuss entgegenzunehmen, und strahlte ihn an. Pierre streckte ihm eine Hand entgegen, und die Männer begrüßten sich freudig. Yves war offenbar nicht fremd in diesem Haus, bemerkte Gabriel.
    »Und jetzt musst du mir alles erzählen«, sagte Yves.
    »Er hat sich heute früh schon geschlagen«, berichtete Cleo.
    Gabriel lächelte ein wenig reumütig, aber Yves grinste nur. »Du hast dich also überhaupt nicht verändert. Wunderbar!«
    »Und was ist mit dir? Papa schrieb mir, die Damen umschwärmen dich wie die Fliegen den Honigtopf.« Gabriel zwinkerte Cleo zu. »Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, hm?«
    Nicht sehr taktvoll, durchfuhr ihn der Gedanke. Yves’ und Gabriels weißer Vater war lange Jahre Cleos Geliebter gewesen. Cleo war eine sogenannte Quadroon, zu einem Viertel stammte sie von einem Schwarzen ab, und Bertrand Chamard hatte sie wirklich geliebt. Aber auch er hatte sich die Frauen nur mühsam vom Leibe halten können, und manchmal war alle Mühe vergeblich gewesen.
    Gabriels Familie war wie ein großer, komplizierter Knoten. Sein Vater hatte mit Cleo zwei Kinder, Gabriel selbst und seine Schwester Nicolette. Er hatte aber auch zwei Söhne von seinen beiden Ehefrauen, die beide nicht mehr lebten: Marcel und Yves. Und dann gab es da noch die weiße Halbschwester seiner Mutter, eine Kreolin, Tante Josie. So kompliziert das alles war, es war in Louisiana nicht ungewöhnlich.
    Aber Mama lachte, und strahlte Yves an. »Er ist wie ein Kolibri, eilt von einer Blüte zur anderen und bleibt nirgendwo länger als für ein paar Häppchen. Das kannst du nicht leugnen, Yves.«
    »Nein, Cleo, das kann ich nicht. Und wie ist es mit dir, mein mönchischer Bruder? Keine Frau im Schlepptau?«
    Tatsächlich war Gabriel ebenso unbeweibt nach Hause zurückgekehrt, wie er gegangen war, ein eingefleischter Junggeselle mit einem Herzen, so frei wie bei seiner Abreise nach Frankreich. »Vielleicht ist das ein Fehler«, gab Gabriel zu. »Denn inzwischen hast du vermutlich die gesamte Damenwelt von New Orleans für jeden anderen verdorben.«
    Während die vier alle möglichen Neuigkeiten austauschten, beobachtete Gabriel seinen Bruder. Wie alt war Yves gewesen, als er nach Paris ging? Zwanzig? Was für ein Leben er wohl führte? Verbrachte er seine Zeit mit den üblichen Zerstreuungen reicher junger Männer: Glücksspiel, Pferderennen und Jagd?
    Doch nein, das war nicht das, was er von Yves erwartete. Sein Bruder hatte immer eine leidenschaftliche idealistische Ader gehabt. Was auch immer er las, teilte er eifrig seinen Brüdern und seinem Vater mit, im einen Monat Emersons Essays über Transzendenz, im nächsten Thoreau oder Oliver Wendell Holmes. Selbst dieser radikale Shelley mit seinen seltsamen Traktaten. Gabriel fragte sich, ob sein intellektueller, moralisch aufrechter Bruder schon Charles Darwins skandalöse Abhandlung über die Entstehung der Arten gelesen hatte. In ihrer streng katholischen Familie würde das Buch bestimmt mit dem Bannstrahl belegt, als ketzerisch und blasphemisch gebrandmarkt werden. Aber das konnte Yves unmöglich davon abhalten, es zu lesen.
    Gabriel wandte seine Aufmerksamkeit seiner Mutter zu. Sie hatte ein wenig zugenommen, gerade so viel, dass ihre Gesichtszüge ein wenig weicher geworden waren. Es war offensichtlich, dass sie mit diesem Pierre glücklich war. Sie war auch mit Papa glücklich gewesen, aber oft genug auch unglücklich. Er konnte nur hoffen, dass Pierre genau der Mann war, den sie brauchte.
    Cleo läutete und bestellte vier Mint Juleps als Drink vor dem Abendessen.
    Gabriel Chamard lehnte sich im Sofa zurück und seufzte. Mint Julep. Jetzt war er wirklich zu Hause angekommen.

3
    Das Fieber verzehrte Peters Körper
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