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Melodie des Südens

Melodie des Südens

Titel: Melodie des Südens
Autoren: Gretchen Craig
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Adam«, schnauzte Yves, ohne den Blick von Marianne abzuwenden. »Lass uns bloß in Ruhe. Ich verblute hier!«
    »Er hätte mich jederzeit töten können, Marianne, und er hat es nicht getan«, erwiderte sein Gegner ruhig.
    Marianne betrachtete Yves einen Augenblick. Er wartete, hoffte, dass sie verstand, dass es keine feindseligen Gefühle zwischen ihnen geben würde. Dann strahlte Mariannes Lächeln auf. »Du wolltest ihn schonen, nicht wahr? Weil du so verliebt in mich bist.«
    Mit seinem gesunden Arm zog Yves sie an sich und zeigte ihr, wie recht sie hatte.

31
    Marianne bestand auf einer letzten Reise den Fluss hinauf nach Magnolias, bevor die Hochzeit stattfand und die Reise nach New York Wirklichkeit wurde. In Gartenstiefeln gegen den Schlamm und einem wollenen Umhang gegen den feuchten Wind ging sie hinunter in die Sklavenunterkünfte. Der Winterhimmel hing dunkelgrau über ihr und versprach eine weitere regnerische Nacht.
    Joseph saß in seiner Hütte und schliff im Feuerschein eine Hacke. »Ganz schön kalt heute«, sagte er und ließ Marianne gleich neben dem flackernden Herdfeuer Platz nehmen. In der Hütte war es warm und gemütlich, trotz des regnerischen Windes, und sie ließ ihr feuchtes Cape über die Stuhllehne gleiten. Der Eintopf blubberte auf dem Feuer und erfüllte den Raum mit dem Duft von Zwiebeln, Möhren und Schweinefleisch.
    »Du kannst nicht still sitzen, nicht wahr, Joseph?«, fragte Marianne und deutete auf die Hacke und den Schleifstein.
    »Oh, ich bin schon viel langsamer geworden, Missy. Das Rheuma, sage ich Ihnen, an Tagen wie heute macht es mir ganz besonders zu schaffen.«
    Marianne verschränkte die Hände und beugte sich vor. »Joseph, du hast jeden Tag deines Lebens geschuftet, ich würde dir jetzt gern ein leichteres Leben verschaffen.«
    Er fuhr weiter mit dem Schleifstein über das Metall, sodass das Geräusch die ganze Hütte erfüllte. »Ich hatte mein Leben. Und es war, wie es war.«
    Über das rhythmische Kratzen hinweg legte Marianne ihm eine Hand auf den Arm. »Ich nehme dich mit nach New York, Joseph. Dich, Peter und Annie. Dann musst du nicht mehr so schwer arbeiten, und ich kann mich um dich kümmern.«
    Joseph hielt in seiner Arbeit inne.
    »Wir reisen morgen ab. Die Hochzeit ist am Montag in New Orleans, und am Dienstag geht die Reise los.«
    Joseph sah sie unsicher an, alles andere als erfreut.
    »Vater sagt, es gibt Krieg. Du kannst mit deiner Underground Railroad nicht weitermachen, wenn Krieg herrscht.«
    »Solange es Sklaven gibt, wird es auch die Untergrundleute geben, die ihnen helfen, Missy.« Er nahm die Arbeit wieder auf und schliff die Hacke weiter. Es war ganz offensichtlich, dass er sie nicht begleiten wollte.
    »Joseph?«
    Er schüttelte nur ganz leicht den Kopf und sagte: »Missy, ich liebe Sie wirklich, aber ich kann hier nicht weg. Ich habe die meiste Zeit meines Lebens hier verbracht. Ich habe meine Kinder hier.« Er schüttelte den Kopf ein wenig heftiger. »Nein, Missy, ich bleibe hier, bis ich sterbe.«
    Marianne wurde es eng in der Brust. Sie wollte nicht von ihm Abschied nehmen müssen. Vater würde sie besuchen, würde ihr schreiben, aber Joseph … vielleicht sah sie ihn nie wieder.
    An seine Tochter, an all die Enkel hatte sie gar nicht gedacht. Sie starrte ins Feuer, bis sie sich wieder unter Kontrolle hatte. Wie egoistisch von ihr, zu denken, er gehöre nur zu ihr.
    »Ich verstehe dich. Natürlich, du kannst ja deine Familie nicht hier zurücklassen, Joseph.«
    Er ging zu ihr und küsste sie auf den Scheitel. »Ich werde Sie vermissen, Missy. Sie sind für mich wie eins von meinen Kindern.«
    Marianne umarmte ihn und tropfte ihm mit ihren Tränen die braune Wollweste voll. »Ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll, dich hier zu lassen«, schniefte sie an seiner Brust.
    Joseph wiegte sie ein wenig in seinen Armen. »Wenn du jetzt nicht aufhörst, weine ich auch«, sagte er mit heiserer Stimme.
    Sie holte ihr Taschentuch heraus und putzte sich die Nase. »Es war scheußlich von mir, auch nur daran zu denken, dass ich dich von deinen Enkelkindern wegholen könnte, Joseph. Es tut mir leid.«
    Joseph nahm ihr Gesicht in seine geröteten alten Hände. »Ach Missy, es muss Ihnen nicht leidtun. Ich bin so stolz auf alles, was Sie mit all Ihren Leuten getan haben. Stolzer kann man gar nicht sein.«
    Marianne legte ihr Gesicht an seine Brust und hielt ihn fest, solange es ging.
    Marianne und Yves, vor Gottes Angesicht und im Beisein aller
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