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Meleons magische Schokoladen

Meleons magische Schokoladen

Titel: Meleons magische Schokoladen
Autoren: Ann-Merit Blum
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fort.
    „Was hast du gemacht?“, flüsterte Isabell.
    „Ich habe einen weiteren Todesfall abgewendet. Niklas, flieg zu Isabell! Ich habe nun die letzten Vorbereitungen für eine Schlacht zu treffen.“
    Die Amsel schüttelte sich, öffnete versuchsweise die Flügel und schmierte erst einmal seitlich ab, ehe es ihr gelang, zu Isabell zu flattern. „Meleon“, sagte Isabell und streckt die Hände aus, halb um den Vogel von ihrem Gesicht fernzuhalten, halb, um ihm die Hände als Landeplatz anzubieten. „Du willst doch nicht behaupten, dieser kleine Vogel…“
    Flügel streiften ihre Stirn, dann saß die Amsel auf ihrer Schulter und gab ein metallisches tschäk-tschäck von sich.
    „Dieser kleine Vogel hat Raum genug für eine Seele“, sagte Meleon und wandte sich ab.
    Isabell lief ihm nach und fasste ihn am Gewand.
    „Aber dann, dann war doch der Vogel auch… ein Wesen, er war lebendig. Hatte er keine Seele? Und wenn doch…“
    „Sie ist fort“, erwiderte Meleon und machte eine Handbewegung zum Himmel hin.
    „Aber das ist furchtbar!“ Isabell schüttelte ihn.
    Meleon drehte sich zu ihr um und löste ihre Finger von seinem cremefarbenen Überwurf.
    „Das ist dunkle Magie. Dunkel und nützlich. Sie hat dir jemanden erhalten, den du lieb hast und den du noch brauchen wirst. Und nun genug davon!“
    Isabell sah hilfesuchend zu ihrem Vater, doch der war dabei, das Skalpell zu reinigen.
    Niklas schüttelte sich und flog auf, prallte beinahe in die Lampe, flatterte gegen den Küchenschrank und Isabell beeilte sich, ihn einzufangen, ehe er sich verletzte.
    „Er muss das Fliegen erst lernen“, sagte Rochas. „Lassen Sie ihn hinaus an die Luft, damit er sich darin üben kann!“
    Isabell trug die Amsel also nach draußen und sah ihr bei den ersten, sichtlich mühsamen Flugversuchen zu. Dabei liefen ihr Tränen über die Wangen, die sie immer wieder mit dem Handrücken weg wischte. Meleon hatte nichts erklärt, aber sie begriff auch so, dass diese Verwandlung ganz anders war, als der Gestaltwandel durch die magischen Schokoladenfiguren. Dass es keinen Auftrag gab, den man Niklas geben konnte, damit er sich nach dessen Erfüllung wieder in den Jungen verwandeln würde, den sie gekannt hatte.
    Niemals zuvor hatte sie darüber nachgedacht, ob Tiere eine Seele besaßen. Jetzt fragte sie sich, wie es wohl war, die Welt als Vogel zu erleben. Und wo die Amselseele jetzt wohl war, die Meleon rücksichtlos aus dem kleinen, schwarz gefiederten Körper vertrieben hatte, damit Niklas leben konnte.
    Sie schniefte.
    Dunkel war Meleons Magie, ganz wie er selbst immer schon eingeräumt hatte.
    Als es Niklas gelang, zu ihr zurückzufliegen und auf ihren Händen zu landen, drückte sie ihm sacht einen Kuss auf das nun so winzige Köpfchen.
    „Es wird schon alles gut werden“, sagte sie, ohne es selbst zu glauben, aber Niklas versuchte daraufhin das erste Mal zu singen, und das brachte sie trotz ihrer melancholischen Stimmung zum Lachen.
    Als sie mit Niklas auf der Schulter nach drinnen kam, hatte Meleon sich schon für die Schlacht umgezogen. Es war ungewohnt, ihn mit enganliegenden Hosen, Stiefeln und einem Waffenrock zu sehen. In einer Lederschlaufe trug er einen armlangen Stock mit Edelsteinknauf und auf dem dunklen Haar eine merkwürdige Kappe, die in einen geschweiften, gefährlich wirkenden Stachel auslief.
    Er gab ihr einen beiläufigen Kuss auf die Wange.
    „Bald ist es soweit. Wir werden in der Nacht ausrücken und unsere Positionen besetzen, damit wir im Morgengrauen für den Angriff bereit sind.“
    Isabell nickte. Ihr war übel vor Angst, doch das wollte sie nicht zugeben.
    „Auch du solltest dich umziehen“, sagte er. „Ich habe den Schneider angewiesen, dich passend auszustatten. Zwar schützen dich die Sphären, aber ich möchte keinerlei Risiken eingehen. Außerdem sind die Frauen meiner Heimat keine Heimchen am Herd, die warten, bis die Männer aus der Schlacht zurückkommen, sondern sind mit dem Einsatz der Klinge vertraut. Es wäre müßig, dich jetzt noch im Kampf unterweisen zu wollen, aber in keinem Fall sollten wir dich jetzt mit dem modischen Schnickschnack von Tournüre oder Reifrock beschweren.“

    Isabell war überrascht, als sie die Kleider sah, die der Schneider stolz vor ihr ausbreitete. Dann erinnerte sie sich an die Zeichnung von Prinzessin Lilya in Meleons Tagebuch.
    Hosen. Ein eng anliegendes Wams. Eine Kappe. Und Stiefel, die bis unters Knie reichten. Alles in dunklen Schokoladentönen
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