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Meine zwei Halbzeiten

Titel: Meine zwei Halbzeiten
Autoren: Jörg Berger
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behauptet, der Fußball sei schnelllebig, der wurde hier eines Besseren belehrt.
     Wir gewannen den Prozess, und der Erstligist Bursaspor musste uns die vertraglich zugesicherte Summe auszahlen. Übrigens war
     ich kein Einzelfall. Sehr viele Fußballtrainer und Spieler haben bis heute in vergleichbaren Fällen ihr Geld nicht erhalten.

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    |253| Verlängerung
    |255| 18
Und immer wieder Krebs
    |256| Freitag, 8.   November 2002.   Ich war mittlerweile Trainer des Zweitligisten Alemannia Aachen. Um 18   Uhr sollte unser Heimspiel gegen den 1.   FC Union Berlin angepfiffen werden. Den ganzen Tag über hatte ich mein Handy aus, weil ich mich auf die Vorbereitung der Spieler
     konzentrierte. Nach der Mannschaftsbesprechung im Hotel Quellenhof fuhren wir nach und nach ins Aachener Tivoli-Stadion. Da
     ich im Hotel übernachtet hatte – wir waren in Duisburg wohnen geblieben   –, packte ich meine Sachen in meinem Zimmer zusammen und hörte die Mailbox auf dem Handy ab, nachdem mehrmals die gleiche
     Telefonnummer auf meinem Display erschienen war. Die Stimme des Anrufers erkannte ich sofort, es war der Professor aus der
     Aachener Uni-Klinik, bei dem ich mich zwei Tage vorher hatte untersuchen lassen. Wegen des vor mir liegenden Spiels hatte
     ich keine Sekunde daran gedacht, dass er mir meinen Befund mitteilen wollte. Ich hörte, wie er sagte: «Herr Berger, ich muss
     Ihnen leider mitteilen, dass Sie Krebs haben, Darmkrebs. Bitte nehmen Sie so schnell wie möglich mit mir Kontakt auf.» Später
     erklärte er mir, warum er die Diagnose auf diesem Weg übermittelt hatte – er wollte, dass ich mich umgehend bei ihm meldete.
    Nach diesen wenigen Worten fühlte ich eine totale Leere in mir. Ich hatte noch nicht richtig begriffen, was mir da mitgeteilt
     worden war, keine anderthalb Stunden vor dem Spiel. Krank? Ich? Kaum einmal war ich wirklich krank gewesen, meist nur verletzt.
     Ich war an der Leiste operiert worden, an einem Muskel – deshalb konnte ich mit der Aussage des Arztes nicht viel anfangen.
     Wie sollte ich mich als Kranker vorstellen? Gar als Krebskranker? Im Bett liegend? Und sollte ich etwa nie wieder auf der
     Trainerbank sitzen? Nein, das war nicht möglich. Ich konnte nicht krank sein. Klar, zu viel Stress, meine Flucht, die Stasi,
     zu viele Abstiegsmannschaften, und sicher hatte ich manchmal nicht genügend auf mich selbst geachtet – aber davon bekam man
     keinen Darmkrebs. Nicht ich.
     
    |257| Nach der überstürzten Flucht aus Bursa hatte ich die Alemannia im Herbst 2001 als Coach übernommen, es war der vierzehnte
     Vereinswechsel, seitdem ich im Westen war. Was mich bei diesem wieder einmal abstiegsbedrohten Club erwartete: Chaos hoch
     zehn. Der Spieler Mark Rudan war in Haft, der Schatzmeister Bernd Krings befand sich ebenfalls hinter Gittern, ebenso der
     Spielerberater Hans Hägele. Weiterhin war ein Koffer verschwunden – und mit ihm viel Geld. Diese Vorgänge beschäftigten die
     Medien 2001 unter dem Schlagwort «Kofferaffäre». Es ging im Wesentlichen darum, dass Spieler verpflichtet worden waren, für
     die man angeblich Geld bezahlt hatte, das aber nie angekommen war. Mit anderen Worten: Einige hatten sich bei diesen Transfers
     unstatthaft bereichert.
    Ein Training war kaum noch möglich, da ständig Steuerfahnder auf dem Vereinsgelände im Einsatz waren und man dafür alles absperrte.
     Alemannia Aachen selbst konnte nur als pleite bezeichnet werden. Wir, die Spieler und ich, verzichteten auf einen Teil unseres
     Gehalts und gingen mit Büchsen in die Innenstadt, um für den Traditionsverein Geld zu sammeln. Das hatte ich schon einmal
     gemacht. Als Kind zog ich mit einem solchen Behälter durch Leipzig, damit die Passanten einen Groschen für die Jungen Pioniere
     spendeten. Und nun tat ich dasselbe für Alemannia Aachen, wobei das die Mannschaft und mich eng zusammenschmiedete. Wir wollten
     uns nicht unterkriegen lassen, und im November 2002 hatten wir auch einen richtig guten Lauf. Vier Spiele gewannen wir hintereinander.
     Das Einzige, was nicht so positiv war – ich hatte mir einen Virus eingefangen und laborierte mit einer verschleppten Grippe
     herum. Um mich richtig auszukurieren, hätte ich mich für eine Woche ins Bett legen müssen. Ich war aber davon überzeugt, dass
     ich nicht ausfallen durfte, überspielte meine Symptome, redete mir ein, ich hätte kaum Fieber, und das bisschen Schüttelfrost
     würde ich schon in den Griff bekommen. Ich wollte
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