Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meine Väter

Meine Väter

Titel: Meine Väter
Autoren: Barbara Bronnen
Vom Netzwerk:
Erscheinen des Protokolls als wetterwendisch und opportunistisch darstellten, war ›klar, hell und einfach‹, wie er schreibt, zu einfach jedenfalls, wenn er behauptete: Ich war schon immer Kommunist!
    In seinen Werdegang läßt er wohldosiert prokommunistische Gedanken einfließen und nimmt eine völlig neue Position ein: die des Schülers, der zu lernen hat: »Es war das erste Mal, daß ich Unterordnung als Befreiung empfand.«
    Seine Vergangenheit ließ sich nicht abstreifen, sie verfolgte ihn und machte ihm zu schaffen, schürte sein Bedürfnis nach Rechtfertigung und gab ihm die Gelegenheit, sich gegen das heftig zu wehren, »was jetzt alleweil in gewissen Periodika steht«. So erzählt der Jude Peter Edel, selbst Opfer der Nazis, von seiner ersten Begegnung mit Bronnen in der Neuen Zeit , die Bronnen, das vorwegnehmend, was Edel wohl dachte, mit den Worten einleitete: »der Bronnen, der Schandkerl, ist außa. Hat sich's geschafft … Wie der Goebbels-Intimus wieder einmal übergelaufen ist zu den Roten, net wahr?«
    Volk, Arbeit, Kommunismus – fast immer haftet diesen Begriffen in den späteren Arbeiten Bronnens ein verdächtiges Pathos an, in dem Reisebericht Deutschland, kein Wintermärchen (1954) wie in manchen Artikeln, die er für die Berliner Zeitung schrieb.
    Ihr bereitet es Schmerzen, vorgeführt zu bekommen, wie weit sich ein intelligenter Mensch nach all den Erfahrungen von sich selbst wegtreiben läßt, nur um sich der Staats
macht anzudienen, in der der Stalinismus noch immer existent war.
    War er denn unbelehrbar? Erfahrungsresistent?
    Auch in den Ferien-Gesprächen mit meinem Vater, etwa als er mich dazu überreden wollte, in Ostberlin zu studieren, empfand ich Unbehagen über sein systemkonformes Verbiegen, das auch in manchen seiner Artikel für die Berliner Zeitung zutage trat. Dort wie in der Neuen Zeit vermied er Artikel über die Folgen des Zweiten Weltkriegs oder den Antisemitismus.
    Aber ich war zu unsicher, wollte meine Mutter nicht verletzen und scheute das Risiko, auf das Angebot meines Vaters einzugehen und ein Leben in der DDR zu wagen. So verpaßte ich die Chance, mich mit diesem Staat und auch mit meinem Vater auseinanderzusetzen. Aus der Ferne betrachtete ich mit Interesse Wolf Biermann, der 1954 in die DDR gegangen war, oder Adolf Endler, der 1955 »rübergemacht« und sogar den Bau der Mauer für gut befunden hatte, und verfolgte das Leben von Johannes R. Becher, Stefan Heym und all jener, die aus der Emigration in die DDR gelockt worden waren.
    Heute, rund zwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer, sehe ich Arnolt Bronnen entspannter. Zwar hat mein Blick längst seine Unschuld verloren, und er hat keinen leuchtenden Platz in meinem Gedächtnis. Aber ich werfe keinen Stein mehr auf ihn.
    Unter den in der DDR lebenden Schriftstellern gehörte er zu den wenigen, die ihr Denken nicht völlig der Parteidoktrin der SED unterwarfen. Die Folge davon war, daß er als Künstler in all seiner Vielschichtigkeit nicht angenommen wurde, obwohl er gerade darin dem Staat hätte nützlich sein können. Im damaligen Literaturbetrieb führten andere das große Wort, nicht weil sie die besseren
Schriftsteller waren, sondern weil sie im gleichmacherischen Strom der ministeriell verordneten Kultur mitschwammen. Mit Begriffen wie »Sozialistischer Realismus« konnte er nichts anfangen. Was unter diesem Etikett geschrieben und in hohen Auflagen gedruckt wurde, tat er ironisch als Werkkreisetüden ab, Literatur wollte er es nicht nennen.
    Als er einmal mit Ingrid Kantorowicz am Schwielowsee an der Bar saß und die in der Schnurbeleuchtung im Gleichschritt Tanzenden betrachtete, sagte er leise: »Hier tanzen die neuen Nazis.« Eine Episode, gewiß, aber sie erhellt schlaglichtartig den Trend, der schon zwei Jahre nach seinem Tod zum Bau der Mauer und zum Rechtsextremismus führen sollte.
    Als Dramatiker spielte Bronnen in der DDR keine Rolle mehr. Niemand wollte von dem einst so prominenten Dichter etwas wissen, und wenn er das Theater besuchte, stand er in den Pausen mit seiner Frau Renate allein im Foyer.
    Die kleinbürgerlich spießige Lebensart, die den Alltag im sogenannten ersten deutschen Arbeiter-und-Bauernstaat bestimmte, war ihm unerträglich. Materiell gehörte er zu den Privilegierten. Er bewohnte mit seiner Familie – Frau, Sohn und Renates Sohn aus erster
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher