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Meine Freundin Jennie

Meine Freundin Jennie

Titel: Meine Freundin Jennie
Autoren: Paul Gallico
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Suppenschüsseln und strahlend hell und erinnerten ihn nur insofern an Nannys Brillengläser, als er sich in ihnen gespiegelt sah.
    Doch was ihn dabei stutzig machte, war, daß er — obwohl er wußte, daß diese riesigen Katzenaugen sein Spiegelbild zurückwarfen — ganz anders auszusehen schien als sonst, wenn er sich im Vorbeigehen in dem Drehspiegel auf dem Vorplatz oder auch in Nannys Brillengläsern erblickte, in denen er schon öfter seinen Kopf mit dem kurzgeschnittenen, aber lockigen rotbraunen Haar gesehen hatte und auch seine kleine Stubsnase, seine grauen Augen, das eigensinnige Kinn und seine runden apfelroten Backen.
    Zunächst versuchte Peter gar nicht, herauszufinden, wie er nun eigentlich aussah, weil es so angenehm und beruhigend war, in diesen kühlen grünen Katzenaugen einfach unterzutauchen, als schwimme er in dem klaren stillen Wasser eines tiefen smaragdgrünen Sees. Es tat so wohl, sich in dieser wunderschönen Farbe zu baden und sich gleichzeitig in dem herzlichen Lächeln des Kätzchens zu sonnen.
    Aber dann bemerkte er, welche Wirkung das auf ihn ausübte. Mitunter wurde das Bild ganz trübe, und dann wurde es für einen Augenblick wieder so klar, daß er deutlich sehen konnte, wie seine Kopfform sich verändert hatte, und nicht nur die Form, sondern auch die Farbe. Denn statt des wohlvertrauten rotbraunen Lockenschopfs und der apfelroten Backen schien sein Fell jetzt ganz kurz und glatt und schneeweiß zu sein.
    «Nanu», sagte Peter zu sich selbst, «ich habe ja eben gesagt statt Haar und Haut. Was für ein komischer Einfall! Es muß wohl die Ausdauer sein, mit der ich in diese Katzenaugen geschaut habe, was mich in einen Kater verwandelt, wenn das wirklich möglich sein sollte.»
    Trotzdem starrte er weiter hin, weil er es jetzt gar nicht fertigbrachte, woandershin zu gucken, und wenn sein Blick sich trübte, schien sein Spiegelbild zu zittern, als ginge in seinem Innern etwas vor sich, doch jedesmal, wenn er es wieder erkennen konnte, fielen ihm neue Einzelheiten auf: die eigentümlich schräg stehenden Augen, die überdies nicht mehr grau, sondern hellblau waren; die Nase, die sich aus einem aufgestülpten Sechspennystück in ein hellrosa Dreieck verwandelt hatte, das unten mit der Spitze in einen Mund überging, der seinem eigenen so unähnlich war, wie er sich’s selbst im Traum nicht hätte denken können. Dieser Mund, aus dem lange scharfe Zähne hervorschimmerten, zog sich in einer krummen Linie zum Kinn hinunter, und an beiden Seiten sproßten Büschel furchtbar langer, weißer Schnurrbartborsten.
    Der Kopf war nicht mehr rund, sondern eckig, die schrägstehenden Augen starrten ihn so fremd an, und die spitz zulaufenden Ohren standen aufrecht wie Dachgiebel. , dachte Peter, Und dann schloß er die Augen, denn dieses völlig ungewohnte kuriose Bild, das er da von sich selbst erblickte, war jetzt so deutlich und unverkennbar, daß es ihm etwas Angst machte. Eine Katze sein zu wollen, war eine Sache — allem Anschein nach eine zu sein, aber eine ganz andere.
    Als er die Augen wieder aufschlug, hatte er ein paar Sekunden lang das Gefühl, als sei der Bann, der ihn an den Spiegel der Katzenaugen gefesselt hatte, gebrochen, denn jetzt brachte er es endlich fertig, nicht mehr hineinzusehen und statt dessen seine Pfoten zu betrachten. Sie waren rein weiß, breit und behaart und hatten nur an der Unterseite so drollige, ganz weiche rosige Polster und Krallen, die so krumm waren wie Türkensäbel und so scharf wie Nadelspitzen.
    Zu seinem Erstaunen sah Peter auch, daß er nicht mehr im Bett, sondern obendrauf lag und daß sein ganzer Körper jetzt auffällig lang und schlank und so weich und weiß war wie der Hermelinmuff, den seine Mutter trug, wenn sie sich im Winter fein machte und ausging; und was da so aussah wie eine behaarte und augenlose weiße Schlange und sich am Ende unruhig hin und her bewegte, auch plötzlich hochschnellte und ausschlug, war sein eigener Schwanz. Ja, von den Ohrenspitzen bis zur Schwanzspitze steckte er in einem fleckenlos weißen dichten Fell.
    Das getigerte Kätzchen, das ihm mit seinem Lächeln und seinem starren Blick diesen Tort angetan hatte, war verschwunden und nirgends mehr zu sehen. Statt dessen stand Nanny wieder da, zehnmal so groß, wie sie ihm je vorgekommen war, beugte sich über das Bett und schrie — so laut, daß es seinen Ohren
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