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Meine Familie, der tägliche Wahnsinn und ich - Gesamtedition (German Edition)

Meine Familie, der tägliche Wahnsinn und ich - Gesamtedition (German Edition)

Titel: Meine Familie, der tägliche Wahnsinn und ich - Gesamtedition (German Edition)
Autoren: Angelika Hesse
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Marmelade?“, fragt er, prophylaktisch sozusagen, bloß keine Zeit verschwenden. Wie üblich, fliege ich durch die Küche und angele mit gezieltem Griff das Glas aus dem Vorratsschrank. Noch ehe ich ihm es hoheitsvoll überreichen kann, verzieht er das Gesicht. „Hoffentlich hast du nicht wieder welche mit Stücken gekauft.“
     
    Natürlich weiß ich, dass Bernd niemals Marmelade mit Stücken isst. Auch verabscheut er Aprikosen-, Maracuja- oder Waldbeere. Er isst nur Erdbeer- oder Himbeermarmelade, ohne Fruchtstücke. Da ich bisher noch keine Erdbeermarmelade ohne Fruchtstücke gefunden habe, kaufe ich seit Jahren nur noch Himbeermarmelade. Dabei würde ich so gerne mal wieder die Sorte des Jahres ausprobieren: Erdbeer-Vanille, Rhabarber-Holunderblüte, Himbeer-Physalis, Veilchen-Heidelbeere - schon allein die ideenreichen, gaumenschmeichelnden Namen auf den Etiketten lachen mich beim Einkaufen an.
     
    Aber da ich höchstens alle zwei Wochen mein Quarkbrötchen mit Marmelade esse, verzichte ich Bernd zuliebe auf den Luxuskauf und lebe meine Sortenprobiersucht am Tee aus. Meine Teeschublade gibt sie alle her: Guten-Morgen-Tee, Schöne-Nacht-Tee, Flirt-Tee, Gute-Laune-Tee, Pure-Lust-Tee, Kleine-Sünde-Tee, Harmonietee, Balancetee, Nerven-Beruhigungstee, Magen-Darm-Tee,  Blasen- und Nierentee – ich habe für jede Stimmung und jedes Wehwehchen das passende Kräutertütchen. 
     
    „Warst du eigentlich bei Krügers?“, fragt er, während er das Marmeladenglas inspiziert und für Gut befindet. Als ich nicke, grinst er breit. „Und? Was sagst du? Ist der neugestaltete Kassenbereich nicht super?“
    „Ja, der ist toll geworden. Die Beleuchtung ist klasse“, sage ich eifrig nickend. Es ist wichtig, ab und an ein wenig Balsam auf die Unternehmerseele zu pinseln. Gute Stimmung hebt das Selbstvertrauen und die Tatkraft, was sich später auf die Provision und den Jahresendbonus auswirkt.
     
    „Ja, supe r, nicht? Durch die neuen Spots fallen die Impulszonen an den Kassen noch besser auf. In dem Laden haben wir vielleicht aufgeräumt. Unser Cost Cutting kann sich sehen lassen“, schwärmt er weiter. „Wir haben zig Lieferanten umgestellt. Schon allein durch den Einsatz der neuen Obsttüten und den Kaffeebechern am Stehcafé, werden wir die Rentabilität sensationell steigern können.“
    „Kann es sein, dass die Obsttüten dünner geworden sind?“, forsche ich nach.
    Bernd zuckt die Achseln. „Kann sein, sind ja schließlich auch erheblich günstiger. Was meinst du, wie viele von den Dingern geklaut werden. Die Tüten werden als Einkaufbeutel genommen oder die Leute machen sich die Taschen voll und benutzen sie später für ihre Hundehaufen oder als Gefrierbeutel. Der Verbrauch ist so phänomenal hoch, dass die Einsparung in diesem Bereich gravierend sein wird.“
     
    Ich werde nachher unauffällig die Obst-Tüten in die gelbe Tonne stopfen und sollten die bei Krüger merken, dass der Pro-Kunden-Obst-Tütenverbrauch drastisch in die Höhe gegangen ist, wird Bernd mit seiner Firma längst beim nächsten Kunden cost-cutten. Wenn Krüger unseren Lebensunterhalt mit Obsttüten bezahlt, ist das nur recht und billig.
     
    „Und die Kaffeebecher? Die sind auch dünner, oder? Du, ich habe mir heute Morgen echt die Finger verbrannt.“
    „Das ist uns auch schon aufgefallen“, nickt Bernd zustimmend. „Das geht natürlich nicht“, murmelt er mit vollem Mund.
    „Ich finde aus richtigen Tassen trinkt sich der Kaffee sowieso viel besser“, steige ich ein. Gibt es eine bessere Gelegenheit, als die Verbesserungsvorschläge beim gemeinsamen, entspannten Frühstück durchzugehen?
    „Wieso Tassen? Bist du verrückt? Wer soll die spülen? Das Personal soll Umsatz machen und sich nicht um das dreckige Geschirr kümmern. Ne, ne, da haben wir bereits eine andere Lösung gefunden. Wir haben dem Marktleiter angewiesen, die Temperatur der Kaffeemaschine heruntersetzen zu lassen. Der Mietservice Frizze meint, das geht.“
     
    Bernd lamentiert über Abschlussberichte und Zahlen und ich verwerfe mein Vorhaben. Was habe ich im Endeffekt mit Frau Billermann zu tun? Wirklich freundlich ist die nicht. Letzten Monat hat sie einfach einen viel zu hoch angesetzten Fantasiepreis für meine Strohhalme manuell in die Kasse getippt, weil der Scanner den Barcode nicht akzeptierte. Zu faul aufzustehen und den realen Preis zu checken, aber über Rückenschmerzen klagen. Ich habe sie natürlich darauf aufmerksam gemacht, dass die Strohhalme im
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