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Meine Familie, der tägliche Wahnsinn und ich - Gesamtedition (German Edition)

Meine Familie, der tägliche Wahnsinn und ich - Gesamtedition (German Edition)

Titel: Meine Familie, der tägliche Wahnsinn und ich - Gesamtedition (German Edition)
Autoren: Angelika Hesse
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mit Rüdiger viele schaurige Abenteuer. Sara lag mir solange in den Ohren, bis ich ihr aus schwarzem Stoff einen zerfetzten Umhang bastelte. Den sprüht sie regelmäßig mit ihrem Disney Kinderparfüm ein, bis man sie aus dreißig Metern Entfernung riechen kann. Ohne das schwarze Ding geht sie kaum noch aus dem Haus.
     
    „Aber wehe du sprühst ihn neu ein“, verlange ich deshalb.
    „Der muss aber nach Mufti Eleganti riechen“, erwidert sie trotzig.
    „Du sprühst ihn nicht ein. Lena kriegt wieder ihre Hustenanfälle und ich auch.“
    „Doch.“
    „Nein.“
    „Doch.“
    „Ich habe Nein gesagt und basta.“
    „Dann komm ich nicht mit.“
    „Dann bleibst du eben hier und nur Lena darf sich etwas aussuchen.“
    „Ja, Sara, ich darf mir dann was aussuchen“, nickt Lena und schaut oberlehrerhaft. Das reizt Sara endgültig.
    „Hau ab du Baby. Du bist eine blöde Schwester“, keift sie und gibt Lena einen Schubs. Die heult sofort los, schaut mich mit großen Kulleraugen an und weckt den „im Zweifel immer für den Kleineren“ Instinkt.
    „Sara“, maßregele ich.
    „Immer bin ich die Schuldige. Du bist so ungerecht“, jault Sara und stampft die Treppe hinauf. Als ich das bekannte Zischen höre, nehme ich zwei Stuf en gleichzeitig und baue mich in ihrem Zimmer auf, vertreibe handwedelnd den beißend, widerlichen Kinderparfümduft. „Ich hatte gesagt, du sprühst ihn nicht ein“, huste ich.
    Sara grinst rotzig. Ich reiße ihr den dämlichen Umhang aus der Hand und werfe ihn, für sie unerreichbar, mit Schwung auf den Kleiderschrank. Manchmal muss man auch mal seine Macht demonstrieren. 
    „So, und da bleibt er und wir gehen einkaufen.“  
    Affig hüpft Sara am Schrank auf und ab, gibt angestrengte Laute von sich und wird von Sprung zu Sprung wütender. Schließlich gibt sie auf, wirft sich theatralisch auf ihr Bett und kreischt „du bist eine böse Stiefmutter“, während sie mit den Fäusten auf die Matratze einhämmert. 
     
    Wie kann sie es wagen, mich mit Schneewittchens, Cinderellas oder Hänsel und Gretels Stiefmutter zu vergleichen? Schließlich habe ich ihr bisher weder einen vergifteten Apfel gegeben, noch musste sie Erbsen und Linsen in der Asche auflesen und noch nie, ich schwöre, habe ich sie im Wald ausgesetzt. Im Gegenteil, sie wird von mir gekämmt, gefüttert, bekommt jeden Abend ein Schlaflied vorgesungen und ich koche mindestens einmal in der Woche ihr Lieblingsgericht- Fischstäbchen mit Kartoffelpüree.
     
    Ob zwischen uns eine gestörte Mutter-Kind Beziehung besteht, weil ich sie nicht gestillt habe? Als Sara auf die Welt kam, bat ich die nette Hebamme direkt um die kleinen Pillen, die dafür sorgten, dass meine in der Schwangerschaft schon auf dreifaches Volumen angeschwollenen Brüste, ihre Milchproduktion gar nicht erst aufnahmen. Der Östrogenüberschuss hatte aus sportlichen 75c Körbchen zwei Adern durchzogene Monsterbälle gemacht. Ich hatte genug von der Körperfülle, der juckenden Kopfhaut, den Pickeln, der geröteten Epidermis um Mund und Nase, den nicht mehr vorhandenen Knöchel und der zum Zerreißen gespannte Haut, die ich täglich mit dicken Schichten Öl einbalsamieren musste. Wenn ich so unter der Dusche stand, meine Füße nur noch erahnen konnte, die Monsterbälle auf meinem Bauch ruhend, wünschte ich mir meinen alten Körper zurück und konnte mir nicht vorstellen, dass sich nach der Geburt jemand so mir nichts, dir nichts, an mir bedienen würde.
     
    Ich bemitleidete meine Zimmernachbarin Ines, die über ihren Milcheinschuss stöhnte und dessen kleiner Hosenscheißer Marvin sich so einfach weigerte, das kostbare Mutterelixier zu sich zu nehmen. Schwester Olga, eine große und kräftige Frau, mit Leib und Seele ihrer Berufung folgend, hatte sich diesen Problemen angenommen. Sie sorgte dafür, dass die Babys auf ihrer Station bekamen, was sie brauchten.
     
    Mit ihren riesigen Schaufelhänden drückte und knetete sie Ines Brüste, stülpte kleine Silikonhütchen auf ihre geschundenen Brustwarzen und steckte unermüdlich dem kleinen Marvin die Warze in den Mund, der immer wieder den Kopf wegdrehte und so einfach nicht trinken wollte.
     
    Verzweiflung machte sich bei Ines breit, die wegen ihres Dammrisses schon gehandicapt genug war. Wenn sie da so schmerzverzehrt auf ihrem Gummiring rumrutschte, sich kaum bewegen konnte und versuchte ihr Kind zu nähren, hatte ich fast schon ein schlechtes Gewissen. Saß ich doch ganz locker mit Kind und Flasche da und
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