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Meine Familie, der tägliche Wahnsinn und ich - Gesamtedition (German Edition)

Meine Familie, der tägliche Wahnsinn und ich - Gesamtedition (German Edition)

Titel: Meine Familie, der tägliche Wahnsinn und ich - Gesamtedition (German Edition)
Autoren: Angelika Hesse
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Steuer scharf nach rechts. Mit quietschendem Reifen und einer Vollbremsung kommen wir zum Stehen und werden mit einem unsanften Ruck nach vorne geworfen. Bernd hat sein Ziel erreicht und den soeben freigewordenen Parkplatz direkt vor den Einkaufswagen am Eingang ergattert.
    Triumphierend zieht er die Handbremse und ich massiere meinen schmerzenden Nacken.
    „Meine Lippen sind so trocken“, jammert er dann und nesselt im Handschuhfach.
    „Bist du immer noch beleidigt? Jetzt hab dich doch nicht so, mein Pummelchen“,  murmelt er und schnappt sich den kleinen Lippenpflegstift, den er in dem Chaos gefunden hat. Exzessiv schmiert er den Fettstift Schicht um Schicht auf seine Lippen. Früher haben mich diese Lippen mal leidenschaftlich geküsst. Ich kann mich nicht erinnern, wann wir das letzte Mal so richtig geknutscht haben. Macht man das nach neun Jahren Beziehung eigentlich noch?  Ich meine, so richtig mit Zunge?
     
    „So, gehen wir“, meint er und schaut mich gut gelaunt an. Meine Mundwinkel zucken. Verstohlen schiele ich auf den „Fettstift“ und erinnere mich daran, wann ich das gute Teil im Handschuhfach vergessen habe. Ich hatte den Sunblocker im Hochsommer für die Kinder gekauft, die es lustig fanden, dass man sich damit weiße Indianerstreifen auf die Nase malen konnte. Ob ich jetzt einfach meine Klappe halte und Bernd mit dem weiß-verschmierten Clownmund rumlaufen lasse? Verdient hätte er es ja.
    „Du hast da was“, sage ich und deute auf seinen Mund.
    „Was denn?“, fragt er, wird jedoch abgelenkt, weil von außen jemand wild an die Scheibe klopft. „Ach, die Charlotte“, sagt er freudig und steigt aus.
    Ein engelsgleiches Geschöpf mit wilder blonder Lockenmähne und einer Piepsstimme steht vor uns.
    „Hallihallohallöchen“, flötet sie. „Alles gut verdaut?“, fragt sie und grinst.
    „Was?“, fragt er irritiert.
    „Na, die Weihnachtsfeier. Du hast ja ordentlich mit Silvia einen aufs Parkett gelegt.“ 
    Das Dummchen scheint weder seinen Clownmund, noch seine mittlerweile schamrote Birne, noch seine Ehefrau zu bemerken.
    „Das ist Heidi, meine Frau“, versucht Bernd ihren Redeschwall zu unterbrechen. „Das ist Charlotte, sie macht bei uns die Debitorenbuchhaltung. Du kennst sie noch nicht.“
    „Ich scheine einige deiner neuen Kollegen nicht zu kennen“, zische ich. „Scheint ja eine gelungene Weihnachtsfeier gewesen zu sein vorgestern.“
    Das Dummchen scheint endlich zu kapieren, dass sie in ein Fettnäpchen getreten ist und versucht ungeschickt einzulenken. „Naja, wir hatten ja alle zu viel getrunken, nicht wahr?“ Dann schaut sie auf die Uhr und muss plötzlich ganz dringend nach Hause.
    „Tschüss Bernd und Frohe Weihnachten.“
     
    „So, so. Eine heiße Sohle hast du aufs Parkett gelegt. Sehr interessant. Bist ja sonst nicht so tanzwütig“, bemerke ich spitz. „Mit mir wolltest du nicht mal den Diskofoxkurs machen, um den ich so gebettelt habe.“
    Bernd lacht und sieht mit seinem Clownmund ziemlich lächerlich aus. „Diskofoxkurs. Ich mach mich doch nicht lächerlich und tanze mit zwanzig anderen Idioten auf einem spiegelglatten Parkett zu Modern Talking oder Andrea Berg. Bist du etwa eifersüchtig? Jetzt hör schon auf. Das ist lächerlich.“
    „Ich? Eifersüchtig? Wieso sollte ich? Und so schlimm finde ich Andrea Berg nun auch wieder nicht. Aber wahrscheinlich war die Musik auf deiner Weihnachtsfeier wesentlich mondäner.“
    Bernd seufzt. „Wir haben getanzt und gefeiert. Es war nämlich ein verdammt gutes Jahr für uns. Ohne Silvia wäre mein Jahresendbonus auf jeden Fall nicht so hoch ausgefallen. Seit wir zusammen arbeiten, läuft es wie geschmiert für mich. Ich bin ihr wirklich sehr, sehr dankbar.“
    „Wie schön!“
    „Was soll das denn jetzt? Echt Heidi, du bist in der letzten Zeit nur noch schräg drauf.“
    „Letztes Jahr durfte ich noch mit auf die Weihnachtsfeier.“
    „Das sind Sparmaßnahmen von den Amis. Da kann ich doch nicht für. Die Weihnachtsfeier ist dieses Jahr insgesamt recht klein ausgefallen.“
    „Ach, deswegen warst du auch erst um Vier zuhause?“
    „Das ist mir langsam echt zu blöd.“
    Meine Betäubung geht langsam weg, der bearbeitete Zahn schmerzt und auf Kampfeinkaufen einen Tag vor Weihnachten habe ich auch keine Lust.
    „Hol doch schon mal den Wagen“, kommandiert Bernd.
    „Harry, hol schon mal den Wagen“, äffe ich ihn nach und krame in meiner Jackentasche nach einen Chip für die Einkaufswagen. „Ja
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