Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meine 500 besten Freunde

Meine 500 besten Freunde

Titel: Meine 500 besten Freunde
Autoren: Johanna Adorján
Vom Netzwerk:
nach unten kommt mir wieder meine ehemalige Agentin entgegen, ich bin wütend auf sie und weiß nicht warum. Als hinter mir jemand lacht, drehe ich mich um, aber niemand beachtet mich, es galt gar nicht mir. Ist mein Kleid zu rot? Die Wimpern noch dran. Ich zwinkere ein paarmal, scheint alles okay. Mein Regisseur plötzlich mit mir gleichauf. Ob es mir gut geht, will er wissen. Ja, sage ich und glaube das auch. Er guckt mich an, scheint noch etwas sagen zu wollen, aber ich gehe weiter und lasse ihn stehen. Sicherheitshalber halte ich mich aber im Gehen nun am Geländer fest.
    Es ist erst drei Tage her, dass ich zum ersten Mal in seiner Wohnung war, Dienstag, genau, kommt mir viel länger her vor. Sollte eigentlich nicht hochkommen, hab aber getan, als müsste ich aufs Klo. Schönes Haus, Charlottenburg, vierter Stock rechts. Fußabtreter mit »Willkommen« darauf, heller Eingangsbereich, Boden Parkett. Oder Laminat, war ein bisschen nervös. Das Badezimmer ganz sicher hellblau gekachelt. Vier Zahnbürsten, elektronisch, seine Frau benutzt die großen OBs. Als ich wieder rauskam, hatte er schon seine Jacke an, konnte gar nicht schnell genug die Wohnung verlassen, dabei war seine Frau mit den Kindern verreist. Waren am Liebnitzsee. Geschwommen, spaziert, in den Regen gekommen, noch mal ins Wasser, weil eh schon egal. Geküsst, gelacht, auf der Rückfahrt kurz geweint, aber er hat’s nicht gesehen, glaube ich. Schnell weiter, vielleicht mal ins Freie, bisschen frische Luft wäre nicht schlecht. Es trifft sich gut, dass ich schon auf dem Weg bin, aber Marmorstufen und sehr hohe Absätze, ich muss mich jetzt wirklich konzentrieren. Mit wem stand er da gerade? Mehrere Personen, davon keine weiblich, das wüsste ich. Seine Frau ist verreist, ach, das sagte ich ja schon. Kann gerade nicht nachdenken, muss aufpassen, wohin ich trete und darauf achten, nicht so auszusehen. Meine Haare wippen nicht mehr, eine Riesenenttäuschung, ich glaube, ich gehöre ins Bett. Am Fuß der Treppe, der Abstieg hat eine Ewigkeit gedauert, steht Delia Naters, sieht mich an, als erwarte sie mich. Plötzliche Eingebung: Sie weiß alles, natürlich, das ist ja auch ihr Beruf. Sie guckt mich jetzt direkt an, gleich wird sie auf mich zugehen und fragen, was an den Gerüchten dran sei. Dem fühle ich mich im Moment nicht gewachsen, auch ein andermal ungern, aber jetzt geht es nicht. Ich gucke, als fiele mir eben ein, dass ich etwas vergessen habe, stelle mir dazu eine Handtasche vor, eine kleine, die irgendwo oben noch liegen muss. Ich denke ganz fest an die Brüstung im zweiten Stock, von wo der Ausblick so schön war. Dort visualisiere ich eine Tasche, und zwar eine bestimmte, die ich besitze, eine kleine schwarze ohne Griff, die man wie ein Mäppchen in der Hand halten muss, entscheide mich blitzschnell um und habe nun ein buntes japanisches Seidensäckchen vor Augen, ja, das funktioniert besser, es passt auch viel besser zu meinem Kleid. Dazu ein leicht enervierter Gesichtsausdruck. In einer Geste, die mir meine Schauspiellehrerin als übertrieben ankreiden würde, fasse ich mir auch noch mit einer Hand an die Stirn und gebe ein Seufzen von mir. Delia Naters sieht mich fragend an. Ich habe ihre volle Aufmerksamkeit. Das ist nicht gut. Ich schüttele in etwa so den Kopf wie man es beim Tischtennis tut, wenn der Ball zum zweiten Mal knapp nicht übers Netz gewollt hat. Sie sieht mich immer noch an. Das Ganze kommt mir übertrieben in die Länge gedehnt vor. Ich er St vht übewäge, noch etwas zu sagen, etwa »Oh nein, jetzt habe ich meine Handtasche oben stehen lassen« oder, kürzer und mehr so erschrocken, »meine Handtasche!«, befürchte jedoch, Text könnte den Gesamteindruck zerstören. Was ich allerdings in der Aufregung vergessen habe, ist, stehen zu bleiben. Ich bin einfach in konstant bleibender Geschwindigkeit weiter die Treppen heruntergegangen und inzwischen so nah an sie herangekommen, dass ich den schweren Duft, den ich schon seit ein paar Stufen wahrnehme, unmissverständlich ihr zuordnen kann. Ihr Gesicht sitzt perfekt, nicht mal ihre Stirn glänzt, übrigens ganz und gar faltenlos. Sie sieht mich an. Warum lacht sie? Von Nahem scheint sie mehr Zähne zu haben als andere Menschen, hinten oben scheinen sie in Doppelreihe zu stehen. Auf einmal habe ich das Gefühl, dass meine Wimpern sich auf einer Seite abzulösen beginnen und fasse dorthin, um sie wieder anzudrücken. »Alles okay?« Ihre Stimme ist weicher als erwartet. »Ja,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher