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Mein wirst du bleiben /

Mein wirst du bleiben /

Titel: Mein wirst du bleiben /
Autoren: Petra Busch
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Leben war im Gleichgewicht. Und plötzlich ging das los, als habe sich etwas verschoben in ihm. Als dränge kalte Wut aus ihm hervor, eine lang angestaute Lust, zu quälen.« Sie setzte sich. »Wir haben uns hier in Freiburg kennengelernt. Er war ein frisch approbierter Mediziner, ich habe mich mit Jobs im Theater durchgeschlagen und davon geträumt, eines Tages selbst auf der Bühne zu stehen. Ich hatte schon Privatstunden genommen. Kurt Paschek hat einen der Regisseure gekannt, bei dem war eine Party …« Sie schlug das Porträtbuch auf und schob es ihm hin. »Marie Trintignant.«
    Ehrlinspiel sah das Foto an. Große dunkle Augen, Ponyfrisur, ein warmes Lachen. »Das passiert immer nur anderen«, sagte er.
    »Sie kennen den Film? Der Titel könnte auch auf mein Leben passen.« Sie legte eine Hand auf das Bild. »Marie ist mit einundvierzig Jahren von ihrem Freund erschlagen worden. Ich wollte nicht, dass mir Ähnliches widerfährt.«
    »Deswegen haben Sie sich endlich gewehrt?«
    »Bis zu unserer Hochzeit hat er mich mit Geschenken überschüttet. Ein Sohn steinreicher Bremer Eltern. Charmant, zärtlich, großzügig. Er hatte dieses Lachen und diese feinen, sanften Hände. Und ich war jung und voller Vertrauen in die Liebe.« Sie lächelte kurz, als könne die Erinnerung an das Glück ihre Wunden heilen. »Morgens hat er mir Orangensaft ausgepresst, ist dann zur Arbeit in die Uniklinik, kam mit Blumen nach Hause und hat mich in elegante Restaurants geführt. Viele haben mich beneidet. Aber in ihm hat schon das Dunkle gehaust. Eines Abends hat er mich mit einem Küchenmesser in die Hand geschnitten, als er Kräuter zerkleinert hat. Nur leicht, nur ein paar Tropfen Blut. ›Ich stelle mir gerade vor, wie du auf meinem OP -Tisch liegst‹, hat er gesagt und weiter mit dem Thymian und den Kartoffeln hantiert, als sei das völlig normal. Ich war total schockiert. Ein paar Wochen später ist es wieder passiert. Dieses Mal an der Wange. Ich habe ihn angeschrien. Da hat er tiefer geschnitten. Eine schnelle, gezielte Bewegung. ›Ab heute nimmst du keinen Schauspielunterricht mehr. Mit dem Gesicht hast du sowieso keine Chance.‹«
    Sie klappte das Buch zu, fasste es nur mit den Fingerspitzen an, als befürchte sie, ihm weh zu tun. »Seit dem Tag habe ich das Unheil gerochen in unserem Haus. Er hat mir gedroht. Bilder gezeigt von Unfallopfern. Gelächelt hat er dabei, als betrachte er Urlaubsfotos. Und wissen Sie, was mir am meisten Angst gemacht hat? Nicht die Drohungen. Nicht die Bilder. Es war sein Augenlid. Es hat gezuckt. Immer kurz bevor es aus ihm herausgebrochen ist.«
    Ehrlinspiel trank einen Schluck Wasser. Sie nennt ihn immer mit Vor- und Nachnamen, dachte er. Wie um Distanz zu schaffen.
    »Sobald Kurt Paschek morgens aus dem Haus war, habe ich Pläne geschmiedet. Fluchtpläne.« Sie sah ihn an. »Mordpläne. Aber die waren so weit weg … Es war eine innere Flucht, mehr nicht. Dann hat er die Klinik in Bremen übernommen und dort diesen kleinen OP -Raum eingerichtet.« Sie schloss die Augen, schüttelte den Kopf. »Darin durfte nur er operieren. Chefsache, sozusagen. ›Du musst keine Angst haben, mein Schatz, du wirst nichts spüren.‹ Aber das stimmte nicht. Er hat nur meine Muskeln gelähmt, nicht die Nerven, bevor er … bevor …« Sie öffnete die Augen. »Es waren die kleinen Dinge, mit denen ich dieses Leben überstanden habe: ein Rotkehlchen, das ans Fenster kam, ein gutes Buch, ein Sonnenstrahl, der auf den Tisch fiel, wenn ich weinend dasaß und tot sein wollte.«
    Ehrlinspiel schluckte. Er wusste nicht, ob er die Details erfahren wollte. Typen wie Kurt Paschek waren ihm zutiefst zuwider, und auch wenn er an das Gute in jedem Menschen glaubte: Paschek gehörte zu denen, die seine Überzeugung mehr und mehr ins Wanken brachten.
    Er fragte sie, ob sie etwas über die Geschichte ihres Mannes wisse. Ob er eventuell selbst misshandelt worden war.
    Sie wusste es nicht. Seine Mutter war gestorben, als er zehn war, sein Vater sei ein guter Mensch, so wie sie ihn kenne. Sie hatte Jahre damit verbracht, nach dem zu fragen, was ihn trieb. Eine Antwort hatte sie nicht gefunden. »Aber um auf die Nacht zurückzukommen: Ich bin draußen umhergelaufen. Wollte weg, doch ich wusste nicht, wohin. Weg, weg, weg, das war das Einzige, was in meinem Kopf gehämmert hat. Dann habe ich Ihre Kollegin getroffen und dachte: Jetzt haben sie mich durchschaut.«
    Hanna. Sie hatte nur ihr Handy gesucht.
    »Also bin ich
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