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Mein Weg zum Herzkind

Mein Weg zum Herzkind

Titel: Mein Weg zum Herzkind
Autoren: Sam Jolig
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meine Liste und beschloss, sofort die nächste Nummer zu wählen, bevor sich Resignation breitmachen konnte. Ich musste es irgendwie schaffen, meinen Gesprächspartner länger in der Leitung zu halten, um ihn von mir zu überzeugen. Aber wie? Und ich brauchte Argumente. Die Tatsache, dass erst die eigenen Bewerber, also die, die im Bezirk des Amtes wohnten, ein Kind bekommen sollten, galt es auch zu entkräften. Ich erinnerte mich an eine Geschichte aus dem Vorbereitungskurs. Da legte die abgebende Mutter besonders viel Wert auf eine Vermittlung in eine entferntere Region. Sie wollte ihrem Kind nicht zufällig über den Weg laufen. Sie wollte die Adoptiveltern kennenlernen, aber sie im eigenen Ort nicht ständig um sich haben. Ich hatte mein erstes Argument. Außerdem erinnerte ich mich weiter, dass die abgebenden Mütter Wünsche äußern konnten. Sie dürfen letztlich bestimmen, in welche Hände sie ihr Kind legen. Wenn nun also eine Beschreibung auf keinen Bewerber der vorhandenen Liste passte – so passte die Beschreibung vielleicht auf mich. Und so kreierte ich mir nach und nach eine Argumentationskette aus allem Gelernten. Ich wollte mich nicht noch einmal abwimmeln lassen und ich wollte zeigen, wie sehr ich mich mit der Materie befasst hatte, wie geeignet ich war.
    Die nächsten Gespräche verliefen gut. Nicht perfekt. Aber gut. Meine Quote war nach oben geschnellt, und ich durfte an fünf Jugendämter Bewerbungsmappen schicken. So war
der Plan. Durch den Erstkontakt am Telefon hatten die Sozialarbeiter meinen Namen bereits gehört. Jetzt musste ich recht zeitnah meine Post mit der selbstgebastelten Bewerbungsmappe losschicken. Die Mappe transportierte viele meiner Gedanken, Vorstellungen zum Kind, die Form der Adoption, die ich wählen würde, mein Profil und viele bunte Bilder, die dem Betrachter zeigen sollten, wer ich bin.
    In wenigen Tagen hatte ich die Post auf ihren Weg gebracht. Auf meiner Liste notierte ich mir die wesentlichen Fakten: Datum des Anrufs, Kontaktperson, Zusage der Sendung meiner Bewerbermappe und Absendedatum. Die Absagen strich ich aus und behielt sie mir für einen späteren Zeitpunkt zum Nachfassen vor. Denn bei sofortigen Absagen am Telefon lautete mein Abschlusssatz gerne: »Vielleicht komme ich zu einem späteren Zeitpunkt noch mal auf Sie zu. Man weiß ja nie, wie sich die Gegebenheiten ändern. Danke und einen schönen Tag.« Anders bei den Jugendämtern die meine Post erhielten. Ich ließ etwa vier Tage verstreichen und tätigte erneute Anrufe bei diesen Ämtern. Ich fasste nach. Erkundigte mich, ob alles angekommen sei, und wünschte Freude beim Stöbern in meiner Akte. Ich teilte auch gleich mit, dass ich gerne in ein, zwei Wochen nachfragen würde, ob es zu einem persönlichen Kennenlernen im Amt kommen kann. Ich wollte freundlich sicherstellen, dass mein Name den Sozialarbeitern im Kopf blieb. Der schmale Grat zwischen Aufdringlichkeit und Engagement war nicht immer einfach einzuhalten. Wenn die Ungeduld wächst und der Herzenswunsch so groß ist, fehlt manchmal der nötige Abstand. Ich glaube aber, alles in allem bin ich nicht zu aufdringlich gewesen. Genau richtig, um am Ende fünf Jugendämter persönlich aufsuchen zu dürfen.

    Die Gespräche mit den Sozialarbeitern waren sehr informativ und haben mich wieder ein Stück weitergebracht. Ich durfte zeigen, wer ich bin, und stand von da an auf fünf verschiedenen Wartelisten.
    Doch das hieß für mich noch lange nicht, dass ich ausruhen konnte. Kontakte wollen gepflegt werden. Situationsbedingt nahm ich immer wieder Kontakt zu den Sozialarbeitern auf. So schrieb ich beispielsweise aus einem Ostseeurlaub kleine Postkarten mit netten Grüßen. Oder ich nutzte Feiertage zum Ausrichten guter Wünsche. »Frohe Weihnachten« stand dann einfach auf meiner Karte an die Sozialarbeiter. Ich hatte auf meiner Adoptionsarbeitsliste meine Notizen zu einzelnen Telefonaten gemacht. Mir war wichtig, Ordnung in meinem System zu behalten. Natürlich notierte ich mir die jeweiligen Daten, Namen des Gesprächspartners und die Inhalte. In wöchentlichen Abständen klingelte ich bei den verschiedenen Sozialarbeitern an und erkundigte mich, ob sich etwas tat. Oder ich nahm Themen wieder auf, die wir vorher schon angerissen hatten. Zwischendurch war es mir aber wichtig, den Kopf auch mal auszuschalten. Das Thema Adoptionsakquise ruhen zu lassen und den Druck rauszunehmen. Die richtige Dosierung macht es. Die Sozialarbeiter zu nerven, ist auch
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