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Mein Tag ist deine Nacht

Mein Tag ist deine Nacht

Titel: Mein Tag ist deine Nacht
Autoren: Melanie Rose
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davor war, in Tränen auszubrechen, und begriff, dass ich, solange ich hier war, die Situation bestmöglich in den Griff bekommen musste.
    »Es tut mir leid, Grant. Ich habe nicht gewollt, dass das hier passiert«, sagte ich leise. »Es ist niemandes Schuld. Ich verstehe ja, dass du alles wieder so haben möchtest wie zuvor, aber das geht nicht. Ich erinnere mich nicht daran, deine Frau zu sein, ich möchte nicht Lauren sein. So ist das nun einmal.«
    Er starrte mich mit Tränen in den Augen an, erhob sich dann vom Stuhl und setzte sich auf meine Bettkante. Er nahm meine Hand in seine und drückte sie, und es bedurfte all meiner Willenskraft, sie dort zu lassen.
    »Du bleibst aber doch bei uns, nicht wahr?«, fragte er. »Du wirst uns nicht verlassen?«
    Ich dachte noch immer verzweifelt über eine Antwort nach, als dir Tür aufging und Schwester Sally die Kinder ins Zimmer führte.
    »Mami!«, kreischten sie und hüpften auf uns zu.
    »Immer langsam«, ermahnte sie Grant, erhob sich unbeholfen und kämpfte die Tränen zurück, während die Kinder um uns herum aufs Bett kletterten. »Nicht vergessen, dass es Mami nicht gutgeht.«
    Als würde ich mich selbst in einem sonderbaren Schauspiel beobachten, ließ ich mir von Grant die Kinder vorstellen. Man hatte ihnen gesagt, dass ich das Gedächtnis verloren hätte, und sie schienen es lustig zu finden, dass ich mich nicht an sie erinnern konnte.
    »Sophie hier hat dir die Veilchen gebracht.« Grant lächelte seine ältere Tochter stolz an.
    »Danke, Sophie«, sagte ich und betrachtete ihr kastanienbraunes Haar, das dem des Vaters so ähnlich war, die aufrichtigen grünen Augen.
    »Nicole hat dir die Karte mit den Genesungswünschen gebastelt.«
    »Sie ist wunderschön«, erklärte ich ihr mit einem Lächeln. »Du hast mein Haar genau richtig hinbekommen.«
    »So hat es ausgesehen, als dich der Blitz getroffen hat«, erwiderte sie.
    »Genauso hat es abgestanden und irgendwie geglüht.«
    Es war, als hätte mir jemand einen Schlag in den Magen versetzt. »Du warst dabei?«, fragte ich entgeistert. »Du hast gesehen, wie der Blitz in mich einschlug?« Schwester Sallys Frage, wer zum Zeitpunkt des Unfalls bei mir gewesen sei, hallte in meinen Ohren wider.
    Nicole nickte. »Es war hammermäßig!«
    »Nicole!«, schalt Grant seine Tochter. »Lass es nicht so klingen, als hättest du es genossen, dass deine Mutter verletzt wurde.«
    »Ich hab’s gesehen, ich hab’s gesehen!« Einer der Zwillinge sprang aufs Bettende und verpasste dabei nur knapp meine Füße. Schmerzwellen schossen mir über den Rücken. »Mami hat gebrannt!«
    Grant sah aus, als würde er den Jungen scharf tadeln wollen, den ich für Toby hielt, als aus der Ecke eine kummervolle Stimme ertönte. Alle verstummten wir, als der zweite Zwilling traurig wiederholte: »Das ist nicht Mami. Meine Mami ist fort, und nun ist
sie
dafür hier!«

[home]
    2
    S tille senkte sich über den Raum. Alle wandten wir uns dem kleinen Rotschopf zu, der uns von der Türöffnung aus beobachtete und einen weichen, bunten Ball fest umklammert hielt.
    »Was hast du gesagt?«, fragte ich sanft.
    »Mami ist fort. Sie hat gebrannt, und nun bist du hier. Ich will meine Mami!«
    Und Teddy begann zu weinen.
    Ich merkte, dass ich meine Hände so fest zu Fäusten ballte, dass sich die schön manikürten Fingernägel schmerzhaft in die Handflächen bohrten. Nach Sophies Enthüllung hatte ich tief ausgeatmet, und nun hatte ich Schwierigkeiten, wieder zu Luft zu kommen. Die Tatsache, dass Teddy mich, Jessica, und nicht seine Mutter sehen konnte, änderte alles.
    Die Bemerkung des Jungen hatte mich fürchten lassen, es handle sich gar nicht um einen entsetzlichen Traum – doch schon beim nächsten Herzschlag keimte wieder Hoffnung in mir auf. Ich war an diesem fremden Ort nicht mehr allein, wo jeder auf etwas beharrte, das ich nicht glaubte. Dieses kleine Kind sah die äußere Erscheinung seiner Mutter und in die Person hinein. Vor Freude hätte ich es am liebsten umarmt.
    »Komm her, äh, Teddy«, bat ich unbeholfen und streckte meine Hand nach ihm aus. Ein Instinkt sagte mir, alles sehr langsam anzugehen. Er beäugte meine Hand misstrauisch, doch ich lächelte ihn ermutigend an, und er machte zögernd ein, zwei Schritte auf mich zu und blieb dann stehen. Näher würde er nicht kommen, das war klar, und so blickte ich ihm tief in die Augen.
    »Du hast recht, Teddy«, flüsterte ich. »Ich bin nicht dieselbe Mami wie zuvor. Ich weiß nicht, was
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