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Mein Tag ist deine Nacht

Mein Tag ist deine Nacht

Titel: Mein Tag ist deine Nacht
Autoren: Melanie Rose
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entgegnete ich, erschüttert, dass ich tatsächlich wiederbelebt hatte werden müssen, und beobachtete seine Reaktion.
    »Ich würde gern einen Termin für eine Kernspintomographie anberaumen«, fuhr Dr.Shakir aalglatt fort, ohne auf meine Bemerkung einzugehen, und sorgfältig meinen Blick meidend. »Aber unterdessen müssen Sie mir vertrauen, dass Sie die Mutter dieser Kinder und die Frau von Mr.Richardson sind.«
    Ich sah ihn skeptisch an. Er verheimlichte mir garantiert etwas, aber alles schien gesagt. Ich warf einen Blick zur Tür und erinnerte mich mit einem flauen Gefühl im Magen an die Familie, die da draußen darauf wartete, mich besuchen zu können.
    »Bitte, ich bin sehr müde.« Ich kämpfte gegen die Panik an, die in mir hochstieg. »Könnte ich mich ausruhen, ehe ich … jemanden sehe?«
    Der Arzt schien sich meine Bitte durch den Kopf gehen zu lassen, nickte dann kurz und ging. Als sich die Tür hinter ihm schloss, durchsuchte ich meine Erinnerungen nach einem Hinweis für diese meine unbekannte Familie, während die Herz- und Blutdruck-Monitore neben mir rhythmisch fiepten. Das Unglaubliche war, dass trotz allem, was der Arzt mir gesagt hatte, meine Erinnerungen völlig intakt waren, sie waren nur einfach nicht die, die offenbar von mir erwartet wurden.
    Nach einer halben Stunde, in der ich abwechselnd döste und verzweifelt über meine missliche Lage nachdachte, hörte ich meinen vermeintlichen Mann an der Tür bitten, hereinkommen zu dürfen. Ein Teil von mir war gespannt, ob er noch immer dachte, ich sei seine Frau. Eigentlich hoffte ich, er würde einen Blick auf mich werfen und erklären, ihm sei ein schrecklicher Fehler unterlaufen. Doch eine dunkle Ahnung sagte mir, dass ich umsonst hoffte.
    Um Zeit zu schinden, bürstete ich mir das Haar sorgfältig mit einer Bürste, die angeblich mir gehörte (wenngleich ich sie noch nie im Leben gesehen hatte), setzte mich in dem schmalen Bett dann steif auf und wartete ängstlich darauf, dass der Fremde eintrat.
    Der Mann, der auf mich zukam, war schlank und groß, vielleicht um die ein Meter fünfundachtzig. Er hatte rötliches, leicht welliges Haar und Sommersprossen. Unter einem Tweedjackett trug er ein schwarzes Polohemd, aber er sah darin nicht professorenhaft aus. Ich fragte mich, womit er seinen Lebensunterhalt verdiente, und fand es seltsam, dass ich mir ausgerechnet diesen Mann als Ehemann ausgesucht haben sollte, wo ich rothaarige Männer nie auch nur im Mindesten attraktiv gefunden hatte.
    Als er näher kam, wurde mir mit Schrecken klar, dass die Scharade noch immer nicht beendet war. Er beugte sich zu mir, um mich zu küssen, doch ich drehte den Kopf weg, und er richtete sich rasch wieder auf und errötete leicht.
    »Tut mir leid«, sagte ich, als er sich einen Stuhl ans Bett zog. »Aber ich habe keine Erinnerung an dich.«
    Er starrte mich an, und ich konnte ihm ansehen, dass er offensichtlich mit sich rang. Nach einem Augenblick schien er zu einem Entschluss zu kommen.
    »Dr.Shakir hat mir erklärt, du hättest dein Gedächtnis verloren, Schatz. Ich hatte gehofft, er hätte sich getäuscht.« Er seufzte tief auf, zwang sich zu einem unsicheren Lächeln und streckte dann förmlich die Hand aus, um meine zu schütteln. »Ich bin Grant«, erklärte er. »Grant Richardson. Ich bin siebenunddreißig, und wir sind seit zehn Jahren verheiratet.«
    Sein Händedruck war fest, doch irgendwie wirkte sein Lächeln befangen. Vielleicht war er mit dem Umstand, dass seine Frau die Erinnerung an ihn und ihr gemeinsames Leben verloren hatte, ja auch überfordert. Ich jedenfalls empfand die ganze Situation als überaus bizarr, und in mir regte sich Mitgefühl für diesen Fremden.
    Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Schließlich konnte ich ja kaum sagen: »Hi, ich bin Jessica, nett, dich kennenzulernen.« Folglich blickte ich an ihm vorbei auf einen metallenen Handwagen, auf dem medizinischer Bedarf gestapelt war, und schwieg, während er weiterhin meine Hand hielt.
    »Hast du irgendwelche Fragen an mich?«, meinte er sanft. »Du möchtest doch sicher eine Menge wissen?«
    Natürlich hatte ich Fragen, aber die waren eher von der Sorte »Verdammt noch mal, was wird hier eigentlich gespielt?« als von der, die er erwartete.
    »Lauren?«
    Seufzend begriff ich, dass ich mitspielen musste, und sei es auch nur, um hoffentlich ein paar Erklärungen für diesen Alptraum zu bekommen. Ich entzog ihm nachdrücklich meine Hand und fragte dann: »Wie alt bin
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