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Mein Tag ist deine Nacht

Mein Tag ist deine Nacht

Titel: Mein Tag ist deine Nacht
Autoren: Melanie Rose
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Mädchen ihn hochnahm und aufs Bettende setzte. Ich blickte zur Tür, wo ein weiterer kleiner Junge mit großen Augen und zitternder Unterlippe stumm dastand.
    Die Krankenschwester musste meine bestürzte Miene gesehen haben, denn sie nahm den kleinen Jungen wieder vom Bett hinunter und scheuchte die Kinder zur Tür.
    »Eure Mama ist noch immer müde«, erklärte sie mit Nachdruck, als eines der Mädchen zum Protest anhob. »Ich glaube, ihr solltet im Spielzimmer warten, bis euer Papa sein Gespräch mit dem Arzt beendet hat. Ihr könnt sie später wieder besuchen.«
    Die Schwester schloss die Tür fest hinter ihnen und wandte sich zu mir um.
    »Sie können sich nicht erinnern, stimmt’s?«
    Ich schüttelte verwirrt den Kopf.
    »Das ist ein Missverständnis«, flüsterte ich. »Das sind nicht meine Kinder, ehrlich!«
    »Es ist durchaus üblich, dass Leute, die vom Blitz getroffen wurden, vorübergehend ihr Kurzzeitgedächtnis verlieren.« Routiniert überprüfte sie meinen Puls und Blutdruck. Ich beobachtete, wie sie die Ergebnisse auf dem Krankenblatt notierte, dann beugte sie sich zu mir, und ich spürte den nach Pfefferminz riechenden Atem auf meiner Haut, als sie mir wieder in die Augen spähte.
    »Ich hole Dr.Shakir. Nun, da Sie wach sind, kann er Sie besser untersuchen, und er wird Ihnen erklären, was Ihnen zugestoßen ist. Ich glaube, er spricht gerade mit Ihrem Mann.« Sie lächelte mich aufmunternd an. »Sorgen Sie sich nicht, Mrs.Richardson, alles wird gut.«
    »Ich bin nicht Mrs.Richardson«, erklärte ich ihrer davonmarschierenden Rückseite, allerdings diesmal mit weniger Überzeugungskraft. Als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, rieb ich mir die Augen und vergaß dabei die Tropfinfusion, eine Bewegung, die in meiner linken Schulter für neue Schmerzen sorgte. Vorsichtig legte ich meinen linken Arm aufs Bett zurück, hob dann meinen rechten und starrte ihn an. Die Hand war schlank und hatte wunderschön manikürte Nägel. Tief in mir stieg Panik auf. Irgendwie sah sie gar nicht wie meine Hand mit den abgebrochenen Nägeln aus, eine Folge meiner täglichen Computerarbeit. Und wo war die kleine Narbe abgeblieben, die ich mir zugezogen hatte, als ich mich an einer Dose von Frankies Hundefutter geschnitten hatte?
    Tränen traten mir in die Augen, und ich zwinkerte sie fort, entschlossen, nicht zu weinen. Noch nie hatte ich mich derart hilflos und verwirrt gefühlt.
    Wie konnte es zu solch einer Verwechslung gekommen sein? Unmöglich konnte ich einen Mann und vier Kinder haben, an die ich mich nicht mehr erinnerte. So etwas vergaß man doch nicht! Es musste ein schlechter Traum sein – ein ausgesprochen real wirkender allerdings, der sich verflüchtigte, sobald ich aufwachte.
    Ich spürte, wie die Hände, die mir nicht zu gehören schienen, zitterten, und ich steckte sie fest unter die Bettdecke. Bald schon, sagte ich mir streng, würde ich aufwachen und über diesen Alptraum lachen. Ich würde mich fragen, warum ich mich so gefürchtet hatte, und meine Sorgen kämen mir albern vor.
    Ich kniff die Augen zusammen und wünschte mir mit aller Kraft aufzuwachen, doch als ich sie wieder aufschlug, befand ich mich immer noch am selben Ort. Eine kleine Stimme tief in mir flüsterte, mir sei etwas Schreckliches zugestoßen, aber ich schüttelte den Kopf, weigerte mich zu glauben, dass dies alles gerade wirklich geschah.
    Als ich bemerkte, dass die Tür wieder aufging, rutschte ich noch tiefer unter die Decke und schloss die Augen. Ich glaubte nicht, die Kraft zu haben, diesen Wahnsinn fortzusetzen. Mir tat alles weh, und ich wollte nach Hause. Nach Hause in meine kleine Wohnung in Epsom, wo ich es mir mit Frankies Kopf auf dem Schoß auf dem Sofa bequem machen und im Schlafanzug fernsehen oder meine Eltern und Freunde anrufen und ihnen erzählen konnte, was geschehen war, während ich mir den Genuss gönnte, direkt aus der Packung Pistazieneis zu essen.
    Kühle Finger streichelten meine Stirn. Das Gefühl war irgendwie vertraut, dennoch konnte ich mich nicht entsinnen, dass das in der letzten Zeit jemand bei mir gemacht hatte.
    »Lauren? Lauren, Schatz, bist du wach?«
    Ich kniff die Augenlider fest zusammen und schwieg beharrlich. Wenn das ein Ehemann war, der Vater jener Kinder, dann konnte er mir gestohlen bleiben.
    Eine weitere Stimme erfüllte den Raum, mit indischem Akzent, fest und bestimmt.
    »Mr.Richardson, dürfte ich einen Augenblick stören? Ich müsste kurz mit Ihrer Frau sprechen.«
    Die Finger
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