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Mein Tag ist deine Nacht

Mein Tag ist deine Nacht

Titel: Mein Tag ist deine Nacht
Autoren: Melanie Rose
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fanden meine Hand und drückten sie.
    »Ich bin draußen, gleich vor der Tür, Schatz.«
    Ich wartete, bis die Tür ins Schloss fiel, ehe ich die Augen öffnete. Ein großgewachsener Asiate sah mich an, ein bemüht beruhigendes Lächeln im freundlichen Gesicht.
    »Guten Morgen, Mrs.Richardson.« Sein Blick huschte auf die Notizen in seiner Hand. »Äh – Lauren. Die Schwester sagte mir, Sie litten an Gedächtnisverlust?«
    »Mein Gedächtnis ist ausgezeichnet«, erwiderte ich angriffslustig. »Es ist nur so, dass Sie mich mit jemandem verwechseln.«
    Noch immer lächelnd schüttelte der Arzt den Kopf. »Ich weiß, das muss schlimm für Sie sein, Lauren, aber ich fürchte, das ist nicht der Fall. Da draußen steht ein rechtschaffener Mann, der mir versichert, Sie seien seine Frau, dazu vier Kinder, die seit gestern darauf warten, dass Sie aufwachen. In manchen Fällen kann eine durch hohe Spannung verursachte Verletzung zu einer Bewusstseinstrübung führen. In der Medizin ist das als PAT -Effekt bekannt, aber keine Sorge, das gibt sich wieder.«
    Er setzte sich auf den Bettrand und sah mich mit seinen dunklen Augen voller Mitgefühl an. Da war aber noch etwas, das ich nicht ganz einordnen konnte.
    »Ein Blitz ist eine mächtige Urgewalt, Lauren, und Sie bekommen starke Schmerzmittel, die für einen Teil Ihrer Verwirrung verantwortlich sein könnten.«
    Ängstlich beobachtete ich, wie er ein Notizbuch aufschlug und die Seiten darin überflog. Seine Annahme, ich sei diese Lauren Richardson, machte mich neugierig auf seine weiteren Ausführungen.
    »Als Sie gestern mit Verbrennungen an Rücken, Schulter und Schädel eingeliefert wurden, habe ich ein paar Nachforschungen bezüglich der Auswirkungen von Blitzschlägen angestellt. Sie sind der erste Fall, den ich persönlich erlebe. Hoffentlich interessiert es Sie zu hören, was ich herausgefunden habe.«
    Er sah mich an, und ich nickte. Mir ging auf, dass der Glanz in seinen Augen von beruflicher Neugierde herrührte. Ehe ich Zeit hatte, Luft zu holen, sprudelte er auch schon los.
    »Offenbar bewegen sich Blitze auf ihrem Weg nach unten mit erstaunlichen Geschwindigkeiten von zwischen einhundertsechzig und eintausendsechshundert Kilometern pro Sekunde. Oder, in Ihrem Fall, auf ihrem Weg zu Ihnen, Lauren«, erklärte er mir mit unverhüllter Ehrfurcht. »Bei ihrer Hauptentladung können sie erstaunliche einhundertvierzigtausend Kilometer pro Sekunde erreichen, und der gigantische Funke erhitzt die Luft, um sich explosionsartig zu entladen, und erzeugt so den Überschallknall, den wir als Donner wahrnehmen.«
    Ich ertappte mich bei dem Gedanken, dass er, so wissbegierig wie er war, einen außergewöhnlichen – wenn auch reichlich schrulligen – Medizinstudenten abgegeben haben musste, doch die von ihm gelieferten Fakten waren ernüchternd, wenn man bedachte, dass der Blitz ja schließlich
mich
mit diesen Geschwindigkeiten getroffen hatte.
    »In manchen Fällen kann dieser Funke eine Temperatur von dreißigtausend Grad Celsius erzeugen, Lauren – die sechsfache Temperatur der Sonnenoberfläche also!«
    Der Blick, mit dem er mich darauf bedachte, war von kaum verhohlener Faszination, als sei er überrascht, mich nach seinen Ausführungen über die Urgewalt Blitz immer noch atmend vorzufinden.
    »Sie erzählen mir also, dass ich von Glück reden kann, noch am Leben zu sein«, sagte ich leise und suchte in seinen Augen nach Bestätigung.
    Dr.Shakir neigte ganz leicht den Kopf, was ich als Zustimmung wertete.
    »Sie haben Verbrennungen an Rücken und Schultern, deretwegen allerdings keine Hautverpflanzungen nötig sein werden«, erklärte er, schob seine Notizen zusammen und erhob sich. »Da wir uns vor einer Infektion hüten müssen, haben wir um Ihre Schulter einen antibiotischen Verband angelegt. Bei Ihrer Einlieferung gestern waren Sie in einer schlechten Verfassung, in einer äußerst schlechten Verfassung.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«, fragte ich argwöhnisch.
    »Durch die elektrische Spannung des Blitzstrahls hat Ihr Herz eine Weile ausgesetzt. Es kam zu einem Herzstillstand. Wir mussten Sie einem Elektroschock aussetzen, um Sie zurückzuholen. Sobald das geschehen war, mussten wir uns darauf konzentrieren, Sie zu rehydratisieren. In dem Tropf ist nichts weiter als normale Kochsalzlösung. Dann haben wir die Brandwunden verbunden. Danach konnten wir nur noch darauf warten, dass Sie aufwachen.«
    »Um zu sehen, ob ich einen Hirnschaden davongetragen habe«,
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