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Mein Onkel Ferdinand

Mein Onkel Ferdinand

Titel: Mein Onkel Ferdinand
Autoren: Horst Biernath
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Vielleicht würde ich an deiner Stelle genauso wie du handeln. Vorausgesetzt natürlich, ich wäre ein Mann und ich hätte deinen starken Charakter...«
    Es war reine Ironie. Aber mochte sie ruhig ironisch sein! Die Hauptsache war doch, daß sie mich endlich zu begreifen schien.
    »Gut also, kein Wort mehr davon!« sagte sie kurz entschlossen, »wir heiraten nicht! Warum auch? Man muß ja nicht durchaus heiraten, wenn man sich liebt. Weißt du was? Ich werde ganz einfach deine Geliebte.«
    »Was wirst du?!« schrie ich entsetzt. Ich glaubte, mich verhört zu haben.
    »Da wir uns lieben, und da du eine Ehe zwischen uns für unmöglich hältst, werde ich deine Geliebte!« sagte sie mit überdeutlichen Lippenbewegungen, als hätte sie mit mir einen Taubstummen vor sich. »Es ist doch sonnenklar und völlig logisch: heiraten können wir nicht, weil dich mein Geld stört. Also werde ich deine Geliebte. Mit einer halben Million im Hintergrund können wir auf alle bürgerlichen Vorurteile pfeifen. Wenn man Geld hat, kann man alles, und wenn man viel Geld hat, kann man noch mehr. Finanziell bleiben wir selbstverständlich völlig unabhängig voneinander, du mit deinen achthundert und ich mit meinen fünf- oder sechshunderttausend. Zum Geburtstag und zu Weihnachten schenke ich dir eine hübsche Krawatte, und was du für mich ausgeben willst, bleibt dir überlassen. Ich werde mich auch als vermögende Frau über einen Fliederzweig oder ein paar Nelken freuen. Flieder bleibt nämlich Flieder, ob er nun bei Rockefellers oder beim Postboten Müller mit der Hälfte deines Einkommens auf dem Tisch steht...«
    Das alles brachte sie mit der lässigsten Miene von der Welt vor und tat, als ob es ihr völliger Ernst wäre, aber ehe ich dazu kam, mich von meiner Verblüffung über ihr frivoles Angebot zu erholen, war sie schon mit zwei Schritten bei mir und trommelte mit ihren Fäusten auf meine Brust.
    »Mein Gott, du Idiot!« schrie sie zwischen Lachen und Weinen, »willst du nicht endlich aufwachen? Willst du nicht endlich den feinen, zart besaiteten Mann zum Fenster hinausschmeißen und dich wie ein normaler Mensch benehmen?«
    Sie packte mich an der Krawatte und schüttelte mich, daß mir die Haare flogen. Aber ich war noch immer nicht weichgekocht.
    »Du bist wirklich ein vollendeter Trottel, mein Lieber!« sagte eine kühle Gelehrtenstimme im Hintergrund.
    Es war die Stimme meines Vaters. Er stand in der Tür und sah mich durch seine dunkle Hornbrille ernst an: »Nein, mein Junge, ein Mädchen wie Gertrud gibt man nicht auf, nicht einmal dann, wenn sie das Pech hat, eine Million zu erben! Kommt nachher herüber, Kinder. Mutter hat uns inzwischen einen guten Kaffee gekocht. Wir haben alle miteinander eine Stärkung nötig, um wieder zu unseren vollen Verstandeskräften zu kommen. Also — wir erwarten euch beide... demnächst.«
    Er machte die Tür hinter sich sehr zartfühlend zu, mit einer Bewegung, als decke er einen kleinen schlafenden Hund zu.
    Ich stand mit hängenden Armen vor Gertrud. Ich gebe es offen zu, eine allzu glückliche Figur machte ich nicht. Ich fühlte mich ins Glück hineingetreten...
    »Allzulange dürfen wir deine Eltern nicht warten lassen«, meinte Gertrud mit einem Blick auf ihre winzige Armbanduhr. »Wenn du mich also küssen willst, dann mußt du dich ein wenig beeilen...«
    Und ich beeilte mich, sie in die Arme zu ziehen. Aber obwohl ich Gertrud mit Hingabe und Zärtlichkeit küßte, war ich innerlich doch noch nicht völlig hingabebereit. Jedoch in der sehr angenehmen Beschäftigung schoß ein Gedanke wie der rettende Balken für einen Schiffbrüchigen aus der Tiefe auf mich zu: Wir werden auf alle Fälle von vornherein Gütertrennung beantragen!
    Und dieser Gedanke beruhigte mich so sehr, daß wir den Kaffee fast versäumt hätten.

15

    Am Nachmittag brachten wir Mister Graham zur Bahn. Er hatte die letzten Stunden seines Aufenthaltes dazu benutzt, sich mit Gertrud in Gegenwart eines deutschen Rechtsanwaltes — den sie auf Grahams Wunsch mit der Vertretung ihrer Interessen betraut hatte — über die Erbschaft und die Möglichkeiten ihrer Transferierung nach Deutschland zu unterhalten. Ich war bei dieser Unterredung zugegen. Der unverhohlene Respekt, mit dem Dr. jur. Heinrich Kustermann mir als Gertruds zukünftigem Gatten und Teilhaber der Erbschaft bei der Vorstellung die Hand schüttelte, war mir nicht sehr angenehm.
    Um so liebenswürdiger fand ich Grahams Bemerkung, daß er sich freue, Gertrud
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