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Mein Mann der Moerder

Mein Mann der Moerder

Titel: Mein Mann der Moerder
Autoren: Kerstin Herrnkind
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männliche Note, ein Duft, der in einer Hexenküche gemixt worden war, um Frauen daran zu erinnern, dass sie eben doch das schwächere Geschlecht waren.

    »Schönes Wochenende«, rief Tobias mir am Ende der Gangway zu.

    »Danke gleichfalls«, lächelte ich.

    Kaum saß ich im Taxi, öffnete ich meine Tasche und las den Zettel, der in das Firmenporträt der Uhrenmanufaktur gerutscht war.

    Man(n) trifft selten eine Frau, bei der man auf den ersten Blick weiß, dass man sie unbedingt wiedersehen will, stand da etwas ungelenk formuliert neben einer Handynummer.

    Er hatte eine große, geschwungene Schrift, die leicht nach links kippte. Ein Grafologe hätte darin vielleicht ein Warnsignal erkannt. Doch ich fühlte mich geschmeichelt. So etwas war mir schon lange nicht mehr passiert.

    Ich hätte damals sehr gut in der Fernsehserie Sex and the City mitspielen können. Gut verdienende PR-Frau, Mitte dreißig, den Kleiderschrank voller Designerklamotten und einem Dutzend Paar Schuhen von Manolo Blahnik. Zeugen unzähliger Shoppingtouren, die ein Glücksgefühl erzeugten, das so flüchtig war wie ein Windhauch. In meiner Altbauwohnung, in der Platz war für zwei, lebte ich allein. Mister Right hatte sich noch nicht blicken lassen. Dabei wünschte ich mir doch so sehnsüchtig ein Kind.

    Ich ließ eine Schamfrist von zwei Tagen verstreichen, be-vor ich den Mann aus dem Flieger anrief. Immerhin interessierte er sich offenbar für Literatur, was ihm bei mir, einer abgebrochenen Germanistikstudentin, so etwas wie einen Heimvorteil verschaffte. Außerdem war der Hochmut früherer Jahre, in denen ich Männer, die mir meiner nicht würdig erschienen, wie Hofnarren an der Nase herumgeführt hatte, längst der Torschlusspanik gewichen.

    »Das ist aber schön, dass du dich meldest«, sagte Tobias. Er hatte eine raue, leicht nasale Stimme, die mich – hätte er im Flieger nicht Émile Zola gelesen – vielleicht abgeschreckt hätte. Doch ich war fest entschlossen, ihm eine Chance zu geben. Wir unterhielten uns eine ganze Weile. Tobias erzählte, dass er promovierter Mathematiker sei. Eigentlich hatte er Lehrer werden wollen. Auch das noch, dachte ich, ein verhinderter Mathepauker. Mathematik war das Trauma meiner Schulzeit gewesen. Über einen Studentenjob sei er bei einer international tätigen Versicherung untergekommen. »Nun arbeite ich zwar viel mehr, verdiene aber auch deutlich besser«, sagte er.

    Komisch. Als ich in der Dunkelheit auf unserem Bett lag, an die Decke starrte und nachdachte, fiel mir auf, wie sehr Tobias mit seinem Gehalt geprotzt hatte. Doch damals hatte ich nur ungläubig, im Ton unterschwelliger Bewunderung wiederholt: »Versicherungsmathematiker – und dann Émile Zola?! Wie passt denn das zusammen?«

    Tobias lachte. Er hatte ein eigentümliches Lachen. Kurze, abgehackte Töne, eine Spur zu hoch, die eigentlich nicht zu einem Mann passten. Eher zu einem Verrückten, dem der Ausbruch aus einer Irrenanstalt gelungen war und der sich über das Schnippchen freute, das er den Ärzten geschlagen hatte.

    Dass mir weder seine Stimme noch sein Lachen behagte, schob ich damals beiseite. Ich suchte – auch wenn ich es niemals zugegeben hätte, weil es meinem Selbstbild von der erfolgreichen Frau abträglich gewesen wäre – dringend einen Mann. Und auf den ersten Blick stimmte ja alles: ein Doktortitel in Mathematik, eine feste Anstellung bei einer renommierten Versicherungsgesellschaft, die richtigen Klamotten, der Lesestoff. Tobias war ungebunden, nie verheiratet gewesen, kinderlos. Prima, dachte ich. Ein Mann ohne Altlasten. Ja, wenn ich ehrlich bin, ließ ich Tobias genau durch dieses Raster laufen. Und dann rächte sich meine Oberflächlichkeit wie ein Damoklesschwert, das sich aus der Verankerung löste und auf mein Leben niederraste.

    Das Plärren des Radioweckers riss mich aus dem Schlaf. Ich lag angezogen auf dem Bett. Es war die erste Nacht seit Wochen, die ich durchgeschlafen hatte. Intuitiv, noch nicht ganz wach, griff ich auf der rechten Betthälfte ins Leere, dort, wo früher Tobias neben mir aufgewacht war. Er hatte meine Hand genommen und sie geküsst. Ich war zu ihm gekrochen, hatte mich an ihn geschmiegt. Manchmal, wenn die Zeit es erlaubte, hatten wir miteinander geschlafen. Kurz und heftig.

    Plötzlich hatte ich seinen Geruch in der Nase. Schweiß gepaart mit den Resten seines teuren Aftershaves. Tobias pflegte sich abends vor dem Schlafengehen zu rasieren. Sehnsucht stieg in mir auf. Ich
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