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Mein Mann der Moerder

Mein Mann der Moerder

Titel: Mein Mann der Moerder
Autoren: Kerstin Herrnkind
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gefahren. Hatte, wie in Trance, auf mein Aussageverweigerungsrecht als Ehefrau verzichtet und den Kripobeamten alles erzählt. Wie ich Tobias im Flugzeug kennengelernt hatte. Dass er mich regelrecht erobert hatte.

    Tobias beherrschte das Spiel von Nähe und Distanz perfekt. Er hatte mir das Gefühl gegeben, die Königin von Saba höchstpersönlich zu sein. Machte mich süchtig nach dem Thron. Stieß mich herunter, zog sich zurück, kaum, dass ich mich auf ihn eingelassen hatte. Meldete sich nicht, bis ich so weichgekocht war und ihm regelrecht hinterherlief. Und dann hatte er mir gleich nach unserer ersten Nacht einen Heiratsantrag gemacht. Hatte morgens mit einem riesigen Strauß Rosen am Bett gestanden, den er im Bademantel beim Blumenladen nebenan besorgt hatte. Natürlich hatte ich Ja gesagt.
    Als wir heirateten, kannte ich Tobias keine drei Monate. Mein Kinderwunsch war allerdings unerfüllt geblieben, weil Tobias partout nicht Vater werden wollte. Sogar unser Sexleben hatte ich der Kripo beschreiben müssen. »Alles völlig normal. Nein, mein Mann hatte keine abartigen Vorlieben. Mir ist nie aufgefallen, dass er sich zu jungen Mädchen hingezogen fühlte.«

    »Wir haben das Laptop Ihres Mannes ausgewertet«, sagte Kommissar Wöste. Vor ihm, auf der abgeschabten Schreibtischplatte, lag ein Schnellhefter aus blauer Pappe. Der Beamte nahm ein paar Blätter heraus und legte sie vor mir auf den Tisch. Es waren Kopien einiger Fotos, die Tobias offenbar in seinem Computer gespeichert hatte. Autobahnschilder waren darauf zu sehen.

    Abfahrt Kassel-Wilhelmshöhe, las ich. Ausfahrt Burgau – das musste bei Stuttgart liegen, überlegte ich. Autobahnkreuz Lotte/Osnabrück.

    Verständnislos schüttelte ich den Kopf. »Was sind das für Bilder?«

    Der Kommissar nahm einen Schluck Kaffee, spannte mich, vielleicht ohne es zu wollen, auf die Folter. »Ihr Mann ist ein Stalker«, sagte er endlich und stellte den Becher zurück auf den Tisch.

    »Ein Stalker?«, wiederholte ich ungläubig.

    Der Kripobeamte nickte und sah mich an. Seine Augen waren so dunkel, dass sie nicht die kleinste Regung verrieten. Er nahm noch ein paar Blätter aus der Mappe und legte sie vor mir hin. Dabei fielen mir seine schönen, schmalen Hände auf. Am Finger der rechten Hand steckte ein Ehering, der noch ganz blank war und verriet, dass der Polizist noch nicht allzu lange verheiratet sein konnte.

    Wöste schwieg, beobachtete aufmerksam, wie ich mir die Bilder ansah. Die Fotos zeigten Balkone. Auf dem ersten das schmucklose Exemplar eines Plattenbaus. Am unteren Bildrand war noch ein Stück Rasen zu sehen, die Wohnung musste im Erdgeschoss liegen. Das nächste Bild zeigte den schmiedeeisernen Balkon einer Jugendstilfassade im ersten Stock, von dem Efeu in die Tiefe rankte. Und dann waren da noch Fotos von Fenstern, die nicht abgeschirmt wurden von Gardinen und den ungenierten Blick auf die Einrichtung zuließen. Eine Couch, Umrisse einer Glasvitrine, der Fernseher, der in der Unschärfe der Aufnahme fast verschwand. Spießige Versandhaus-Gemütlichkeit, wie Tobias sie verabscheute.

    »Ihr Mann hat mehrere Frauen belästigt, lauerte vor ihren Haustüren, fotografierte sie und ihre Wohnungen heimlich.«

    Die Worte des Kripobeamten trafen mich wie Peitschenhiebe. Ich spürte, wie mein Gesicht anfing zu glühen.

    »Mit der Digitalkamera hat er alles dokumentiert.« Die Stimme des Kommissars klang ganz ruhig, als würde er mir die Aktienkurse der Frankfurter Wertpapierbörse erläutern.

    Meine Hände waren schweißnass. Um nicht vom Stuhl zu kippen, heftete ich meinen Blick auf den Kaffeebecher, den mir Wöste hingestellt hatte. Gewerkschaft der Polizei – gemeinsam sind wir stark, las ich. Es waren absurde Kleinigkeiten, die sich mir ins Gedächtnis gruben und an denen ich mich festhielt wie eine Ertrinkende. Neben dem Schriftzug war ein Zeichentrickbulle abgebildet, der seinen überdimensional großen Daumen in die Höhe reckte.

    »Frau Rabe«, insistierte der Kommissar sanft. »Haben Sie mich verstanden?«

    Ich nickte schwach. Und ob ich den Polizisten verstanden hatte. Die vielen Dienstreisen. Fortbildungen, Kongresse, Vorträge – es hatte sie nie gegeben. Sie waren für Tobias nur ein Vorwand gewesen, um auf Frauenjagd zu gehen.

    »Ich hatte keine Ahnung«, presste ich hervor.

    Wöste sah mich ungläubig an. »Frau Rabe, gegen Ihren Mann sind mehrere einstweilige Verfügungen erlassen worden«, sagte er und schwieg dann einen Moment
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