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Mein Mann der Moerder

Mein Mann der Moerder

Titel: Mein Mann der Moerder
Autoren: Kerstin Herrnkind
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erscheinen und konnte von einem Tag auf den anderen gefeuert werden. Anfangs hatte Lokalchef Hartmut Gnitzke ihr versichert, dass sie eine feste Stelle bekommen würde. Doch davon abgesehen, dass Hartmut seine Versprechen nie zu halten pflegte, stellte der Verlag inzwischen auch niemanden mehr fest an, schmiss sogar altgediente Redakteure raus, um sie als feste Freie zu Dumpinglöhnen wieder einzukaufen. Der Zug, etwas anderes zu machen oder vielleicht sogar zur Juristerei zurückzukehren, war für Sarah längst abgefahren. Sie war achtunddreißig und auch anderswo leistete man sich den Luxus fest angestellter Redakteure kaum noch. Deshalb musste Sarah brav tun, was ihr Chef Hartmut von ihr verlangte. Ein Schicksal, das sie mit Basti und Matze, die ebenfalls feste Freie waren, teilte. Ausgerechnet mit solchen Typen saß sie in einem Boot.

    »Wir waren heute früh für dich bei der Alten«, sagte Matze. Sein Ton verriet, dass er ein Lob für seine Opferbereitschaft erwartete.

    »Welche Alte?«, blaffte sie ihren Kollegen mit gespielter Ahnungslosigkeit an. Basti und Matze sollten ruhig merken, dass sie die beiden für Untermenschen hielt, die ihrer nicht würdig waren.

    Matze hatte gleich nach der Fotografenlehre einen der begehrten Jobs bei der Zeitung ergattert und war vermutlich der einzige Freie, der mit seinem Los zufrieden war. Obwohl er Tag und Nacht den Polizeifunk abhören und rausmusste, sobald es brannte, ein Unfall oder Mord gemeldet wurde.

    Ihn störte das nicht. Im Gegenteil. »Wenn Blut fließt, klingelt die Kasse«, pflegte Matze mit einer Kaltschnäuzigkeit zu sagen, die nicht gespielt war. Der Job war sein Leben, eine feste Freundin hatte er nicht. »Ich brauche niemanden, der mir mit dem Arsch vorm Bildschirm rumwackelt, wenn ich Fußball gucken will«, knurrte er, wenn es jemand wagte, ihn auf dieses Thema anzusprechen.

    Basti war nicht ganz so ein ungehobelter Prolet wie Matze, trotzdem hatten sich die beiden gesucht und gefunden. Basti, ein abgebrochener Philosophiestudent, war eigentlich ein Schöngeist, den der Journalismus zum Säufer gemacht hatte. Zu lange hatte er sich eingeredet, der Job als ›Zeitungspauschalist‹ sei für ihn nur eine Übergangslösung, bis er seinen ersten Roman veröffentlichen würde. Doch er war nie über Seite dreißig hinausgekommen. Und nun war Sebastian Schellenberger, der früher Hausarbeiten über Kants Grundlegung zur Metaphysik der Sitten geschrieben hatte, beim Berliner Express der Mann fürs Grobe. Klingelte bei Angehörigen von Mordopfern, kaum dass die Polizei die grausame Nachricht überbracht hatte, um sie nach Fotos von den Toten zu fragen. ›Witwenschütteln‹, nannten Boulevardjournalisten diese Art der Bildbeschaffung. Und während sich alle anderen Kollegen in der Redaktion davor grausten, diesen Job zu erledigen, brauchte Basti nur ein paar Kurze, dann zog er mit Matze im Schlepptau los und besorgte die Fotos. Für solche Fälle hatte Basti immer ein paar Kleine Feiglinge in seinem Schreibtisch gebunkert.

    »Wir waren bei der Alten, deren Mann die Kleine aus diesem Kaff in Brandenburg …« Basti schnalzte mit der Zunge, anstatt den Satz zu vollenden. Er mimte gern den toughen Reporter, versteckte die Verzweiflung über seinen verpfuschten Werdegang hinter derben Sprüchen und Kleinen Feiglingen.

    Sarah hätte ihm am liebsten eine gescheuert. Doch die beiden hatten recht: Sie musste nett zu ihnen sein. Denn ihr graute vor solchen Geschichten und sie hatte ein großes Interesse daran, dass ihr Basti und Matze auch in Zukunft die Drecksarbeit abnahmen, dem Polizeifunk lauschten, Witwen schüttelten oder sich Geschichten von Leuten anhörten, die einen Skandal melden wollten, sich verfolgt oder ungerecht behandelt fühlten. Deshalb musste sich Sarah jetzt einen Ruck geben und den Männern Kaffee kochen, auch wenn ihr das aus frauenpolitischen Gründen zuwider war.

    Sarah beschloss, sich nach Feierabend mit einem Friseurbesuch zu belohnen und ihr streichholzkurzes Haar diesmal pechschwarz färben zu lassen, sodass es glänzte wie gelackt. Und ein paar neue Klamotten könnte sie eigentlich auch gebrauchen. Eine gut sitzende, bequeme Jeans mit Stretchanteil und die Desert Boots aus rotem Wildleder, die sie neulich im Schaufenster gesehen hatte. Der Gedanke an die bevorstehende Shoppingtour hellte ihre Laune auf.

    »Und?«, schlug Sarah einen versöhnlicheren Ton an, während sie von ihrem Schreibtisch aufstand. »Hattet ihr Erfolg? Konntet
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