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Mein letzter Tampon

Mein letzter Tampon

Titel: Mein letzter Tampon
Autoren: Monika von Ramin
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Als sich endlich einer der italienischen Beaus bemüht, bedankt sie sich mit innigem Blick und herzigem Augenaufschlag.
    Sie stolziert zum Tisch und setzt sich mit gekonntem Beinüberschlag so hin, dass der Rest des Restaurants ihre wirklich wohlgeformten Beine bewundern kann. Der hübsche Kellner bringt ihr die Speisekarte, die die Dame ebenso gekonnt ignoriert. Ihre hellblonden Haare werden mit einer riesigen Sonnenbrille aus der Stirn gehalten. Jetzt nimmt sie die Brille ab und schüttelt filmreif die Mähne. Dann wieder dieser innige Blick. Während sie über ihre Bestellung nachdenkt, fängt sie an, den Bügel ihrer Sonnenbrille zu lutschen. Der Ober wird sichtlich nervös, weil am Nachbartisch bereits zum dritten Mal nach ihm gerufen wird.
    Madame möchte jetzt von ihm wissen, was es denn heute gibt. Nein, die Wachteln möchte sie nicht, sagt sie, nachdem er die gesamte Speisekarte heruntergebetet hat. Nur einen kleinen Salat. Aber bitte nur Rucolasalat, mit zwei, drei Scheibchen Champignons, oder nein, lieber noch mit zwei Tranchen vom Steinpilz. „Wieso, wenn es Steinpilzspaghetti gibt, dann haben Sie doch Steinpilze, oder? Den Salat aber bitte nicht mit Dressing, sondern bitte mit einer Salatsauce aus kalt gepresstem Olivenöl, ein bisschen Senf, Paprika, Salz, Pfeffer und einem Schuss Zitronenessig.“
    Der arme Ober wird immer nervöser. Natürlich nicht wegen des wogenden Busens von Madame, den sie durch das Hochrecken eines Armes mit gleichzeitigem Haarspiel am Hinterkopf gekonnt in Szene setzt. Er ist nervös, weil die Familie am dritten Tisch links sich überhaupt nicht darum kümmert, dass ihre spielenden Kinder den Weg zum Tresen mit Kinder-Schokolade-Autos pflastern.
    Madame lässt allerdings nicht locker. Zu trinken hätte sie dann gern ein Gläschen Mineralwasser, aber nicht eine ganze Flasche, das sei ihr zu viel. Das Mineralwasser aber bitte warm und ohne Eis, dafür aber mit einer klitzekleinen Zitronenscheibe. Während sie diese Bestellung aufgibt, spielt sie kleinmädchenhaft mit einer Locke ihres güldenen Haares. Der Ober geht mit stoischem Blick die Bestellung aufgeben.
    Wir sollten ihm und allen ebenso stoischen Obern an dieser Stelle herzlich für die Geduld danken, die sie mit den Madams dieser Welt haben. Wenn sie Pech haben, treten die Madams nämlich gleich rudelweise auf, blockieren stundenlang für einen liebevoll außerhalb der Speisekarte zusammengestellten Salat und ein Gläschen Selters einen Tisch für sechs Personen und hinterlassen dann, wenn überhaupt, ein winziges Trinkgeld. Dass sie schon deshalb keine gern gesehenen Gäste sind, dürfte völlig klar sein.

Außer Konkurrenz
    Kurz darauf betreten zwei Zwanzigjährige in hinreißenden Miniröcken das Lokal. Sie benehmen sich ansonsten genauso wie Madame. Unser netter italienischer Ober wird wieder nervös. Diesmal aber nicht wegen der Kinder vom dritten Tisch links, die inzwischen angefangen haben, an den Tischtüchern zu ziehen, sondern wegen der zwei Mädels. Er bietet seinen ganzen Charme auf, und, egal wie viele Bestellungen noch auf Halde liegen, schwupps, haben die zwei ihren Cappuccino. Den serviert er mit dem ganzen, einem italienischen Ober zur Verfügung stehenden Machogehabe. Gleichzeitig rechnet er sich in Gedanken aus, wie viel die drei Männer am Nebentisch, die eigentlich zahlen wollten, noch trinken werden, damit sie die zwei Bräute noch etwas begucken können. Madame hat er einfach verdrängt.
    Was will uns die Dichterin damit sagen? Ganz einfach: Das, was man mit zwanzig tut, sollte man mit fünfzig lassen. Weil es erstens nicht mehr wirkt und weil du zweitens nicht im Ernst erwarten kannst, dass dich irgendein Mensch auf der Welt damit ernst nimmt. Kleinmädchengetue, die Hilflose spielen, dabei aber kapriziös sein, verfehlt auch jetzt nicht seine Wirkung. Aber die Wirkung ist leider ganz anders. Was also ist die Alternative?

Natürlich nett
    Gehen wir doch noch mal in unser kleines italienisches Restaurant: Soeben haben zwei Frauen in unserem Alter den Laden betreten. Sie lächeln schon von weitem dem hübschen Ober zu, der sofort auf sie zustürzt und sie mit Namen begrüßt. Er begleitet sie diensteifrig zu ihrem Lieblingstisch am Fenster. „Es ist aber nett von Ihnen, dass Sie uns unseren Lieblingsplatz reserviert haben“, sagt die eine der beiden Frauen. Sie haben bereits die Speisekarte vor sich liegen, der Ober fragt: „Wie immer?“ Und die Frauen strahlen. „Sie haben ein fantastisches
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