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Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story

Titel: Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
Autoren: Omar Nasiri
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bestimmte Art zu gehen. Ich erkannte instinktiv, wer die innerlich schutzlosesten Fremden waren, diejenigen, die man am einfachsten unter Druck setzen konnte. Innerhalb weniger Sekunden taxierte ich, ob ich einem Menschen sein Geld aus der Tasche ziehen konnte oder nicht.
    Für Haschisch interessierten sich allerdings mehr Touristen als für Teppiche, und schon bald agierte ich auch als Mittelsmann zwischen den Haschischbauern in den Bergen und den Touristen in den Städten. Binnen kurzem fädelte ich Geschäfte mit Hunderten Kilo Haschisch ein, nicht mehr nur für Touristen, sondern auch für Kunden in Übersee. Das war sehr einträglich, und etwas anderes interessierte mich nicht.
    In den Straßen von Tanger wimmelte es von Polizisten. Sie sollten in erster Linie die Touristen vor Gaunern wie mir beschützen. Es gab viele verdeckte Ermittler, und ich lernte schon bald, wie man sie in einer größeren Menschenmenge erkennen konnte. Ich beobachtete, wie sie die Jungs auf dem Marktplatz verhafteten, die dort ihre Decken ausbreiteten und Schmuggelwaren feilhielten – billiges Parfüm, Elektrogeräte, Kosmetikartikel aus Europa. Ich studierte die Polizisten, wenn sie sich dabei von hinten anschlichen und zugriffen. Ich prägte mir genau ein, wie sie sich dabei bewegten. Ich lernte, wie man diese Leute anhand ihres Gesichtsausdrucks identifizierte – er war so intensiv, so ernsthaft. Nach einiger Zeit erkannte ich sie instinktiv und wusste deshalb auch, wie man ihnen aus dem Weg gehen konnte.
    Ich war ein guter Dealer, und das sprach sich auch bald herum. Die Leute kamen zu mir, wenn es schwierige Geschäfte zu erledigen galt. Zwei Journalisten von El País spürten mich auf, weil sie an einer Geschichte über Schleppergeschäfte mit Einwanderern an der Küste zwischen Tanger und Ceuta arbeiteten. In Marokko war das ein gefährliches Geschäft, das im Untergrund betrieben wurde. Aber ich lieferte den beiden ihre Geschichte, und sie machten Hunderte von Fotos. Ein anderer Journalist bat mich später, ihn an die Universität von Fes zu begleiten, während dort Unruhen im Gang waren. Tagsüber wurde die Universität von der Polizei schwer bewacht. Die Unruhen hatten gewalttätige Züge angenommen, und niemand kam mehr auf das Universitätsgelände. Aber bei Nacht schaffte ich es, den Journalisten einzuschleusen. Ich brachte einige Studenten dazu, mit ihm zu sprechen, und blieb die ganze Nacht wach, um zu dolmetschen.
     
    Einige Dinge waren jedoch auch für mich zu gefährlich. Eines Tages kamen zwei Deutsche, denen ich Haschisch verkauft hatte, mit einem Angebot zu mir. Sie wollten Haschisch im Austausch für Waffen kaufen. Dabei legten sie gleich eine Liste der Waren vor, die sie anzubieten hatten. Es war unglaublich: Kalaschnikows, Panzer, Granatwerfer, Raketen, Kampfflugzeuge. Das war Ende der achtziger Jahre, als die Sowjetunion auseinanderbrach. Die sowjetischen Generäle verkauften alles, was sie zu Geld machen konnten, bevor es ihnen weggenommen wurde. Die Waffen strömten nach Europa, und jeder, der sie haben wollte, konnte zugreifen.
    „Seid ihr verrückt?“, fragte ich die Deutschen, nachdem ich die Liste durchgesehen hatte. „Ihr habt Glück, dass ihr zu mir gekommen seid. Jeder andere würde euch an die Polizei verkaufen, und ihr würdet den Rest eures Lebens hier im Gefängnis verbringen. “Niemand handelt in einem muslimischen Land mit Waffen dieser Art, und ganz gewiss nicht in Marokko. Die Deutschen würden im Fall ihrer Verhaftung ins Gefängnis geworfen. Sie würden dort gefoltert werden und niemals wieder herauskommen. Ich verbrannte das Papier rasch, und wir sprachen nie wieder darüber.

HAKIM
    Ich war 26, als mein jüngster Bruder Adil ums Leben kam. Er wurde in seiner Schule in Belgien erschossen. Es war ein Unfall. Einer seiner Freunde hatte eine Pistole in die Schule mitgebracht, und die beiden spielten damit, als die Waffe losging. Die Kugel traf meinen Bruder ins Herz, und innerhalb von drei Minuten war er tot. Er war vierzehn Jahre alt.
    Ich war in Tanger, als dies geschah. Die Nachricht erreichte mich über Jawad, einen Freund der Familie, der in der Stadt in einer Apotheke arbeitete. Ich kam alle paar Wochen dorthin, weil mir meine Mutter manchmal über Jawad Geld zukommen ließ, und ich ging hin, um es abzuholen. Einer der Angestellten sah mich, als ich an jenem Tag den Laden betrat, und nahm mich beiseite. Er machte ein ernstes Gesicht und brachte mich zu Jawads Büro. Jawad sagte, er
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