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Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story

Titel: Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
Autoren: Omar Nasiri
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habe Neuigkeiten für mich, und bat mich, Platz zu nehmen.
    „Dein Bruder Adil starb vor zwei Tagen“, begann er, und dann berichtete er mir die Einzelheiten. Ich war nicht überrascht, ja nicht einmal außer Fassung. Der Tod brachte mich niemals aus der Fassung. Ich habe immer geglaubt, dass Gott nichts ohne Grund tut. Wer bin ich denn, dass ich Seinen Willen hinterfragen könnte? Wenn jemand vor meinen Augen leidet, dann werde ich das sehr tief mitfühlen. Es wird mir das Herz zerreißen. Aber wenn ein Mensch stirbt, ist alles vorbei. Dann gibt es kein Leiden mehr.
    Ein paar Jahre zuvor war mein Großvater gestorben. Er war schwer krank gewesen, und als er starb, versammelten sich viele Familienmitglieder an seinem Bett. Alle anderen klagten und weinten, aber ich empfand nichts. Ich liebte meinen Großvater, aber er gehörte niemals mir. Er gehörte Gott, und Gott hatte ihn wieder zu sich genommen.
    Einige Wochen später begegnete ich auf der Straße überraschend Hakim. Ich hatte nicht mit ihm gerechnet, aber er sagte mir, er sei nach Tanger zurückgekehrt, um unseren Bruder zu beerdigen, und werde eine Zeitlang in der Stadt bleiben.
    Hakims äußeres Erscheinungsbild schockierte mich zutiefst. Seit unserer letzten Begegnung waren mehr als sieben Jahre vergangen. Ich hatte ihn als gutaussehenden Mann in Erinnerung, als einen auffallenden, cleveren Burschen. Er rauchte, trank und ging auf Partys. Stets war er von Frauen umgeben.
    Jetzt war alles anders. Er hatte einen langen Bart und trug eine djellaba . Noch nie hatte ich ihn so gekleidet gesehen. Und zwischen den Zähnen hielt er einen siwak . Der siwak ist ein Zweig aus dem Nahen Osten. Der Prophet hatte einst seine Anhänger angewiesen, sich dieses Mittels zu bedienen, um vor dem Beten einen süßen Atem zu bekommen. Nur die frommsten Muslime halten sich daran.
    Eines hatte sich allerdings nicht geändert – mein ältester Bruder Hakim war nach wie vor ein Tyrann. Wir gingen zusammen zum Haus einer meiner Schwestern, und dort angekommen, wies er mich an, meine rituelle Waschung vorzunehmen.
    „Warum?“, wollte ich wissen.
    „Damit wir in die Moschee gehen und beten können“, lautete seine Antwort.
    „Ich werde nicht beten“, sagte ich. Viele Jahre lang war ich nicht in der Moschee gewesen, und schon der Gedanke daran erschien mir lächerlich.
    „Dein Bruder ist gestorben“, erwiderte Hakim. „Wir müssen unsere salat verrichten.“
    Schließlich lenkte ich ein. Nicht wegen Adil, sondern weil ich allmählich begriff, dass ich für mich selbst aus dieser Situation einen Gewinn ziehen konnte. Inzwischen hatte ich Marokko gründlich satt, ebenso wie das Leben, das ich dort führte. Ich wollte nach Belgien zurückgehen und erkannte, dass Hakim mir dabei helfen konnte, er konnte mir bei der Arbeitssuche helfen. Also nahm ich meine Waschung vor und ging mit ihm zur Moschee, um zu beten.
    Wir blieben an jenem Abend bei unserer Schwester, und am folgenden Morgen sagte mir Hakim, wir würden nach Casablanca gehen. Ich wollte aber gar nicht nach Casablanca. Ich hatte andere Dinge zu tun und sagte ihm, ich würde nicht mitkommen.
    „Du musst mitkommen“, sagte er. „Du musst dein Leben ändern. Ich möchte dir helfen.“
    Und so ließ ich mich überreden und fuhr mit Hakim nach Casablanca. Unterwegs fragte ich ihn, was wir dort tun wollten.
    „Es gibt dort eine Gruppe von Brüdern, mit der ich dich bekanntmachen will“, antwortete er. „Ich möchte, dass du ein paar Wochen bei ihnen verbringst. Ich möchte, dass du von ihnen lernst, denn du musst zu Gott zurückfinden. Jetzt bist du tahout . Du musst zu Gott zurückfinden.“
    Ich hatte keine Ahnung, wovon er redete und wer diese Brüder waren. Doch zu diesem Zeitpunkt wollte ich unbedingt aus Marokko herauskommen, also tat ich interessiert und dankte ihm für sein Angebot.
    In Casablanca trafen wir uns mit diesen Brüdern in einer Moschee. Nach dem Beten reisten wir alle gemeinsam nach Tanger zurück. Hakim verabschiedete sich dort für einen Monat. Er sagte, er habe, solange er sich in Marokko aufhalte, noch einige andere Dinge zu erledigen.
    Hakims Freunde achteten während dieses Monats darauf, dass ich ein gottgefälliges Leben führte. Fünfmal am Tag sprach ich die salat – es war nicht schwer, in das alte Verhaltensmuster zurückzufinden, das ich als Kind erlernt und niemals vergessen hatte. Allerdings musste ich auch das Rauchen und den Alkohol aufgeben, und das war sehr viel schwerer. Ich war
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