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Mein irischer Held

Mein irischer Held

Titel: Mein irischer Held
Autoren: MICHELLE WILLINGHAM
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zurückholen.
    Rionallís war eine verhältnismäßig ausgedehnte Anlage. Im Inneren der Festungsmauern befanden sich mehrere Gebäude und der Wohnturm. Alles war gut geschützt. Bevan war vertraut mit jeder Kammer, jedem Gang, jedem Winkel. Er wusste um alle Schwachpunkte und alle Stärken. Er kannte jedes Geheimnis der Burg. Deshalb würde er den Feind überwinden.
    Er gab ein kurzes Kommando, und seine Männer nahmen ihre Positionen ein. MacEgan schob die dornigen Zweige des Brombeergestrüpps beiseite, hinter dem sich der Eingang zu dem unterirdischen Gang befand, von dem kaum jemand etwas wusste. Der Tunnel führte unter der Mauer hindurch ins Innere der Burg, wo er in einer der Vorratskammern endete.
    Er warf einen letzten Blick auf den Bergfried, der sich dunkel vor dem noch schwach rötlich gefärbten Abendhimmel abhob. In Gedanken sprach er ein kurzes Gebet, dann gab er seinen Leuten ein Zeichen und verschwand selbst als Erster in dem geheimen Gang.
    Im Tunnel war es feucht, aber der Weg war nicht weit. Vorsichtig betrat MacEgan die Vorratskammer am Ende des Verbindungsweges, schaute sich forschend um. Seit fast zwei Jahren war er nicht mehr hier gewesen. Damals war die Kammer gut gefüllt gewesen. Schließlich galt es, während des strengen Winters eine Menge Menschen mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Jetzt gab es nur wenige Säcke mit Getreide, und die großen Tontöpfe, in denen Jahr für Jahr die unterschiedlichsten Vorräte aufbewahrt wurden, waren leer. Die Normannen hatten nicht vorgesorgt. Und das bedeutete, dass die Iren, die nach wie vor auf Rionallís lebten, hungern würden. Als ihr rechtmäßiger Herr war Bevan für sie verantwortlich. Er würde ihnen helfen müssen.
    MacEgan hatte erst vor Kurzem erfahren, dass sein Besitz in die Hände der Normannen gefallen war. Dennoch machte er sich jetzt Vorwürfe. Damals, als er fortging, hatte er falsch gehandelt. Statt sich von seiner Trauer überwältigen zu lassen und seinem Land den Rücken zu kehren, hätte er sich um seine Leute kümmern müssen. Er jedoch ließ sich vom Schmerz über den Verlust seiner Frau fast überwältigen. Um diesem zu entgehen, hatte er sich irischen Fürsten als Söldner angeboten. Nicht seinen eigenen Kampf hatte er gekämpft, sondern sein Schwert und seine Kraft anderen Kriegsherren zur Verfügung gestellt. Es war ein Fehler gewesen, wie er jetzt wusste. Denn dadurch war es den Normannen gelungen, über Rionallís herzufallen, den Besitz an sich zu bringen und die darauf lebenden Menschen auszunutzen.
    Nun, es war an der Zeit, das zu ändern.
    Dem Feind standen wesentlich mehr Soldaten zur Verfügung. Aber er, Bevan, kannte Land und Leute und konnte auf die Unterstützung der Einheimischen rechnen. Er würde die Normannen vertreiben.
    Gefolgt von seinen Männern kletterte er über eine Leiter aus der unterirdischen Vorratskammer in den Innenhof der Burg hinauf. Sie hielten sich im Schatten, schauten sich zunächst aufmerksam um.
    Die normannische Frau fiel ihm ein. Alles wäre einfacher gewesen, wenn er ihr nicht begegnet wäre. Wenn sie ihn nicht um Hilfe angefleht hätte, dann hätte er sich um sie keine Sorgen zu machen brauchen. Er hätte sie, genau wie die anderen Normannen, hassen können. Jetzt aber war die Situation bedeutend komplizierter.
    Sie war eine hübsche junge Frau mit einem sanften Gesicht und großen tiefblauen Augen. Unverkennbar war sie ebenso ein Opfer der normannischen Soldaten wie seine eigenen Leute, eine Unschuldige, der er seine Hilfe nicht verwehren konnte. Wenn nichts schiefging, würde er sie – anders als damals seine Gemahlin – retten können.
    Plötzlich drehten sich all seine Gedanken um die Gefahr, die mit dieser Rettungsaktion verbunden war. Die Bemerkung seines Hauptmanns fiel ihm ein. Seine Leute waren der Meinung, es sei unklug und unnötig, der Fremden zu helfen. Dabei hatten sie allerdings nicht bedacht, dass man sie auch als Geisel benutzen konnte. Er würde sie eine Zeit lang festhalten müssen. Doch sobald er sicher sein konnte, dass er sein Eigentum endgültig zurückgewonnen hatte, würde er ihr die Freiheit schenken.
    Mit einer Geste bedeutete MacEgan seinen Männern, in einem der Cottages, die am Rande des Burghofs standen, Zuflucht zu suchen. Er selbst betrat das kleine Haus als Letzter. Der Schmied und seine Familie begrüßten ihn mit leuchtenden Augen, aber ohne ein einziges Wort zu wechseln, denn die Aufmerksamkeit der Normannen durfte nicht geweckt
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