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Mein Glueck

Mein Glueck

Titel: Mein Glueck
Autoren: Werner Spies
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Werk, sondern auch in seinen Überzeugungen gegen die Norm agierte.
    Manche musste der ständige Richtungswechsel irritieren und von einer Auseinandersetzung mit dem Werk abschrecken. Max Ernst war sich dessen bewusst, ja das war Absicht und Ziel seiner auffälligen Taktik, ständig der Erkennbarkeit zu entkommen. Er hatte den Wunsch, die Identität in Frage zu stellen, selbst auf anschauliche Weise formuliert: »Ein Maler mag wissen, was er nicht will. Doch wehe, wenn er wissen will, was er will. Ein Maler ist verloren, wenn er sich findet. Dass es ihm geglückt ist, sich nicht zu finden, betrachtet Max Ernst als sein einziges Verdienst.« Warum aber hatte es Max Ernst in Amerika schwerer als andere Künstler? Sicher hat das mit dem zu tun, was sein Werk auszeichnet: mit dieser Unruhe, dem ständigen Abbrechen, der dauernden Suche nach neuen Techniken und Inhalten. Das ist etwas, was den flüchtigen Beobachter – und nicht zuletzt den amerikanischen – verunsichert. Gerade dieser ist doch in seiner sonstigen Lebenswelt eher an Konstanten gewöhnt – vor allem an eine sich kaum verändernde Markenwelt von Coca-Cola bis MacDonald. Immer geht es im Werk von Max Ernst um einen Prozess, nicht um ein Ziel. Etwas Derartiges kannte ich nur vom Werk Picassos. Oder, auf das rein Konzeptuelle beschränkt, von Marcel Duchamps Strategie, dessen Hauptsorge nicht zuletzt darin bestand, Urteile zu verunsichern und auf diese Weise jeder stilistischen Definition zu entgehen. Duchamp wollte, wie er erklärte, dem »Look« entkommen, dem, was die Zeit am meisten beschäftigte, der Erkennbarkeit und dem Wunsch, die Flugbahn eines Œuvres vorauszuberechnen. Er lehnte es ab, zum fasslichen Produkt, zu einem Logo für eine Richtung zu werden.
    Nachdem im Centre Pompidou meine letzte Ausstellung zu Ende gegangen war und ich meinen Lehrstuhl in Düsseldorf geräumt hatte, machte mir Thomas Gaehtgens, der in Paris das Centre allemand de l’histoire de l’art gegründet hatte, den Vorschlag, dort mitzuarbeiten. Das war eine wunderbare Möglichkeit, weiterhin in Kontakt mit jungen Forschern zu bleiben. Eine begeisterte Freundesgruppe, zu der Gabriele Quandt, Caspar Schübbe, Françoise und Evangeline Hersaint, Ingeborg Pohl oder Fritz Lehnhoff zählten, setzte sich für das ein, was zunächst die private Begeisterung von Thomas Gaehtgens gewesen war. Die Gründung des Institutes an der Place des Victoires war eine große Tat und wurde von den Franzosen mit Stolz und Freude begrüßt. Wir begannen hier die Recherche für den Œuvre-Katalog Max Ernst weiterzuführen und über den Surrealismus zu arbeiten. In Jürgen Pech, dem wissenschaftlichen Leiter des Max-Ernst-Museums in Brühl, haben Sigrid Metken und ich dafür einen kenntnisreichen Mitstreiter gefunden. Publikationen und Ausstellungen wurden am Institut geplant und unterstützt. Nicht zuletzt mit der Hilfe von Julia Drost, Markus Castor und Tanja Wessolowski. Ich hatte das immense Glück, in Julia Drost von Anfang an eine unersetzliche und unermüdliche Mitstreiterin für die Arbeit am Max-Ernst-Archiv zu finden. Zusammen konnten wir dabei eine Reihe von jungen Wissenschaftlern von der Bedeutung der Revolution des Jahrhunderts, dem Surrealismus, überzeugen. Julias Kenntnisse, ihre Selbständigkeit und ihr Engagement haben mitgeholfen, entscheidende Kontakte zu knüpfen und am Leben zu halten. Nach dem Weggang von Thomas Gaehtgens, der als Direktor des Getty Research Institute in Los Angeles berufen wurde, geht die Zusammenarbeit unter seinem Nachfolger Andreas Beyer weiter. Andreas Beyer hat durch sein Programm, seine Jahresthemen dafür gesorgt, dass diese Gründung weiterhin zur deutsch-französischen Synergie beiträgt. Dieses junge Institut ist etwas Einzigartiges. Denn in anderen Ländern, in denen Deutschland Kulturinstitute unterhält, gibt es nirgends dieses Gefälle zwischen Faszination auf der einen Seite und Sehnsucht nach Akzeptanz auf der anderen.
    In gewisser Weise geht auch mein Einsatz für das Max-Ernst-Museum in Brühl auf meine Lust am Organisieren und Vermitteln zurück. Mein ganzes Leben war und ist erfüllt vom Wunsch, Menschen und Ideen zusammenzuführen. Für mich ist der gleichzeitige Einsatz für Brühl, für das Museum Frieder Burda und für das Museum Würth, sind die Organisation von Ausstellungen, die Publikation von Katalogen und Büchern, das Schreiben von Kritiken und Aufsätzen selbstverständlich. Das begann früh mit den Texten, die ich für das
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