Mein Glueck
im Museum einnehmen. Denn ohne die genaue Struktur des Museums, seiner dramatischen und bewegenden Präsentation von Zeitlichkeit, werden die Deplazierungen und Inszenierungen, denen wir die Werke im Ausstellungsbetrieb unterziehen, auf die Dauer unverständlich und beliebig. Meine Präsentation der Sammlung liegt inzwischen zehn Jahre zurück. Unter meinem Nachfolger wurde die Hängung regelmäßig verändert. Neue Kombinationen wurden erprobt. Ich weiß, das war schon immer der Fall an einem solchen fließenden heraklitischen Ort. Dennoch würde ich es vorziehen – und dies gilt für alle Sammlungen –, wenn ein Kernbestand an Arbeiten vergleichbar den Fixsternen an seinem Platz bliebe. Sie würden dem, der wiederkommt, das Wiedererkennen und die Orientierung in der gewesenen und in der jetzigen Zeit erleichtern.
Das Mandat als Direktor des Museums endete im Jahre 2000. Es wurde um einige Monate verlängert, da meine Präsentation der Skulpturen Picassos, die ich nach der Neueröffnung des Museums realisieren konnte, noch bis in den Herbst zu sehen war. Es wurde mir bewusst, dass ein gewisser Neid und eine Rivalität eine zweite Amtszeit erschwert hätten. Die Tatsache, dass ich nur ein bedingter Anhänger der informellen Richtung der »École de Paris« war, war niemandem verborgen geblieben. Darüber sprach ich auch mit Jean-Jacques Aillagon. Meine Bitte, noch eine weitere Ausstellung im Haus, die der surrealistischen Revolution gewidmet war, zu organisieren, wurde von ihm mit Freude akzeptiert. 2002 konnte ich die Schau eröffnen und anschließend in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf, im Hause meines Freundes Armin Zweite, zeigen. Für mich bedeutete der Einsatz für den Surrealismus einen Höhepunkt meiner Arbeit. Hinter dieser Ausstellung steckten die Lust und die Erfahrung meines ganzen Lebens. In den surrealistischen Werken und Schriften konzentriert sich auf jähe Weise der Wille, Konventionen aufzubrechen. Ein großartiges Ensemble von Bildern, Zeichnungen, Skulpturen und Objekten kam zusammen. Mit besonderem Stolz erfüllte uns alle, dass es gelungen war, aus dem Museum in Teheran Max Ernsts monumentale »Histoire Naturelle« als Leihgabe zu erhalten. 1992 hatte mich Farah Diba bei der Eröffnung der Max-Ernst-Retrospektive zum hundertsten Geburtstag darauf aufmerksam gemacht, dass sie dieses Bild seinerzeit für das Museum erworben habe und vermute, dass man es dort auch irgendwo im Keller aufbewahren würde. Ihr großer Wunsch war, es einmal wiederzusehen. Als ich die Leitung des Museums übernahm, entsandte ich sofort Fabrice Hergott nach Teheran, um sich umzuschauen. Er kam zurück und sagte, das Bild befinde sich in den Depots und sei in einem befriedigenden, reisefähigen Zustand. Sofort begannen wir die Verhandlungen mit dem Ziel, das Bild als Leihgabe zu erhalten. Für die Ausstellung »Skulpturen, Häuser und Landschaften«, die ich 1998 mit Fabrice Hergott zusammenstellte, ging der Wunsch nicht in Erfüllung. Wir bedauerten dies sehr, da die monumentalen Arbeiten Max Ernsts, die Häuser, deren Wände er ausgemalt hatte, wunderbar mit den Skulpturen, die man noch kaum wahrgenommen hatte, harmonierten. Vier Jahre später klappte es, und wir konnten die mächtige Tafel als Auftakt zur Ausstellung zusammen mit »Au premier mot limpide« aus der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen präsentieren. Die beiden Bilder bildeten ehemals eine Komposition, die bei der Abnahme der Fresken von der Wand im Hause Éluards in Eaubonne, das Max Ernst vom Keller bis unters Dach ausgemalt hatte, auseinandergerissen wurde. Ich erinnerte mich an das Drama, als Klaus Gallwitz das Bild für das Städel erwerben wollte. Es hing monatelang als Leihgabe in der Sammlung. Doch im letzten Moment versagte der Bankier Abs die erwartete Unterstützung. Und das Bild ging – und es war keineswegs teuer – in den Iran.
In der Ausstellung ergab sich die Möglichkeit, die enge Verbindung zwischen Literatur und bildender Kunst des Surrealismus aufzuzeigen. Dies war möglich, da Paul Destribats, der über die reichste Kollektion von Rarissima verfügte, seine Bibliothek zur Verfügung stellte. Ich erinnere mich an die intensive Lust, mit der sich Alfred Brendel, der während des Aufbaus der Ausstellung ab und zu dabei zu sein wünschte, in die Bildblätter versenkte. Es gibt keine andere Bewegung im zwanzigsten Jahrhundert, die so stark Texte an Bilder und Bilder an Texte gebunden hätte. Doch diese zentrale
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