Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein geliebter Ritter

Mein geliebter Ritter

Titel: Mein geliebter Ritter
Autoren: Margaret Mallory
Vom Netzwerk:
auf und ging zur Tür. Er öffnete sie und drehte sich noch einmal um. »Lasst es mich wissen, wenn ein Kind unterwegs ist«, sagte er zu Alain. »Ich bin in England.«

1
    London
30. Oktober 1425
    Der Gestank der Themse trieb Sir James Rayburn Tränen in die Augen, als er durch die aufgebrachte Menge ritt. Die »Winchester-Gänse«, die Huren, die unter der Aufsicht des Bischofs auf dieser Seite des Flusses ihr Gewerbe betrieben, würden heute nicht viel zu tun bekommen. Die Männer, die heute die Straßen verstopften, waren nicht hier, um Freuden nachzugehen, die innerhalb der Stadtmauern verboten waren; sie waren auf einen Kampf aus.
    Jamie hatte die Stimmung in der City of London bereits ausgelotet und festgestellt, dass nicht viel zu einem Aufstand fehlte.
    Die Menge wurde dichter, je näher er der London Bridge kam. Männer starrten ihn feindselig an, machten seinem Schlachtross jedoch bereitwillig Platz. Während er sich zwischen ihnen hindurchdrängte, wanderten seine Gedanken zum Vorabend zurück. Es waren viel zu viele Ritter im bischöflichen Palast gewesen.
    Beim Abendessen hatte Jamie versucht herauszufinden, warum der Bischof so viele bewaffnete Männer in den Winchester-Palast hatte kommen lassen. Unter dem wachsamen Auge des Bischofs hatte jedoch keiner der anderen Gäste gewagt, darüber zu sprechen. Stattdessen hatten sie Jamie nach Neuigkeiten über die Kämpfe in Frankreich gefragt.
    Er hatte sich gefügt und ihnen von der letzten Schlacht gegen die Truppen des Dauphin, des rechtlichen Thronerben, bei Verneuil berichtet. Während er ins Erzählen gekommen war, hatten sich die Damen vorgebeugt und die Hände an ihre cremeweißen Brüste gepresst. Er erzählte gern Geschichten. Gerade als es angefangen hatte, ihm Spaß zu machen, erinnerte er sich an Linnets Worte.
    Was du brauchst, Jamie Rayburn, ist eine geistlose englische Ehefrau, die damit zufrieden ist, ihre Abende damit zu verbringen, dir beim Erzählen ermüdender Geschichten über deine Heldentaten zuzuhören.
    Nach all den Jahren machte ihm Linnets Spott noch immer zu schaffen. Er hatte seine Geschichte rasch beendet, den Saal des bischöflichen Palastes verlassen und war früh zu Bett gegangen. Verdammt sei diese Frau. Seit fünf Jahren hatte er sie nicht mehr gesehen, doch sie konnte ihm immer noch den Abend verderben.
    Ihn einen Langeweiler zu nennen, war eine von Linnets geringeren Untaten ihm gegenüber. Unabhängig davon, dass er drei Jahre älter als sie und sie damals nicht einmal sechzehn Jahre alt gewesen war, war er im Vergleich zu ihr hilflos wie ein neugeborenes Kind gewesen. Es war ihm peinlich, wenn er sich daran erinnerte, wie er damals sein Herz auf der Zunge getragen hatte. Während er ewige Liebe und Zuneigung geschworen hatte, hatte Linnet ihn ohne einen Anflug von schlechtem Gewissen oder Scham ausgenutzt.
    Sofort nach dem Debakel hatte er Paris in der Hoffnung verlassen, vor seinem Brief, in dem er die Heirat ankündigte, in England anzukommen. Doch das gelang ihm nicht, und er musste auch noch die Demütigung erdulden, seiner Familie zu erzählen, dass er und Linnet doch nicht verlobt waren.
    Irgendjemand hätte ihm sagen müssen, dass Männer die Jungfräulichkeit einer Frau sehr viel höher schätzen als die Frauen selbst. Er hatte ihr Geschenk fälschlicherweise für ein Geschenk des Herzens gehalten – und für das Gelöbnis zu heiraten. Niemals mehr würde er zulassen, dass eine Frau ihn derart erniedrigte.
    Das bedeutete nicht, dass er den Frauen entsagte. In Wahrheit war er mit einigen ins Bett gegangen, wild entschlossen, Linnets Erinnerung aus seinem Gedächtnis zu tilgen. Meistens war es ihm gelungen.
    Die Gedanken an sie verdarben ihm die Stimmung. Er bekam kaum Luft in dieser Menschenmasse. Dem Schnauben und den angelegten Ohren Thunders nach zu urteilen, ging es seinem Pferd genauso.
    »Wir haben genug gesehen«, sagte Jamie und tätschelte Thunder den Hals, nachdem der Hengst nach einem Dummkopf geschnappt hatte, der ihnen zu nah gekommen war.
    Durch seinen viel zu frühen Tod hatte sein geliebter und ruhmreicher König Heinrich ein Kleinkind auf dem Thron zweier Königreiche zurückgelassen. Der Herzog von Bedford, der älteste überlebende Bruder des verstorbenen Königs, hatte die schwierige Aufgabe, die französischen Territorien zu regieren und den Krieg dort fortzuführen.
    Während Bedford in Frankreich beschäftigt war, wetteiferten zwei andere Mitglieder der königlichen Familie um die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher