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Mein Freund Jossele

Mein Freund Jossele

Titel: Mein Freund Jossele
Autoren: Ephraim Kishon
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Methode, Geschichte zu lehren!«
    Wir ließen sofort einige Daten und Fakten, die wir in unserer Schulzeit gelernt hatten, Revue passieren und stellten tatsächlich fest, dass uns zwar in nahezu allen Fällen die Seite des Lehrbuchs im Gedächtnis geblieben war, die das betreffende Ereignis behandelte, nicht aber das Ereignis selbst.
    Ein bald darauf vorgenommener Test bei einigen unserer Altersgenossen ergab das gleiche Resultat: Sie alle erinnerten sich nur an die einschlägigen Seitenzahlen ihrer Lehrbücher.
    »Wir müssen uns somit fragen«, resümierte Jossele, »welchen Sinn es haben soll, unzählige Daten zu lernen, wenn man sie ohnehin vergisst. Offenbar merkt man sich Seitenzahlen leichter als Jahreszahlen.« Und mit der ihm eigenen Phantasie entwarf er den Verlauf künftiger Prüfungen im Lehrfach Geschichte:
    »Wo brach der amerikanische Bürgerkrieg aus?« würde der Lehrer fragen.
    Die Antwort des fleißigen Schülers:
    »Auf Seite 41 im >Lehrbuch der Geschichte der Vereinigten Staaten< von J. F. Morland, dritte durchgesehene Ausgabe. Auf der folgenden Seite errang General Grant seinen ersten Sieg.«
    »Und wie endete der Bürgerkrieg?«
    »In kleinem Druck auf Seite 45 desselben Buchs, mit einer zeitgenössischen Illustration auf der Gegenseite.«
    »Sehr gut. Setzen.«
    Es steht zu hoffen, dass das Ministerium für Unterricht und Erziehungswesen den genialen Einfall Josseles aufgreift. Erst vor wenigen Tagen brachten die Zeitungen eine Rede des Unterrichtsministers über das Thema Geschichtsunterricht auf Seite 4, zweite Spalte, fett gedruckt. Ich weiß nicht mehr, was er gesagt hat.

Gangsterfilm in Eigenproduktion
    Die Hitzewelle hatte das Kaffeehaus erreicht und machte sich's unter unseren Hemden bequem.
    Jossele lümmelte faul in seinem Sessel, den Blick ins Leere gerichtet.
    »Es ist nicht zum Aushalten«, ächzte er. »Irgendetwas müsste geschehen . . .«
    »Kaufen wir uns ein Lotterielos«, schlug ich ihm vor. »Um ein paar tausend Pfund zu gewinnen?
    Ich brauche eine halbe Million.«
    »Dann rauben wir die Nationalbank aus.«
    »Das ist es!« Mit unvermittelter Lebhaftigkeit nahm Jossele meine Anregung auf. »Das machen wir! Ober, zahlen!«
    Kurz nach Mitternacht waren die Vorbereitungen beendet. Wir hatten unsere Verbindungen zur Unterwelt spielen lassen und vier erfahrene Profis engagiert: die Polakoff-Zwillinge, zwei in Amerika geschulte Bankräuber, »Twiggy« Tonello, den sichersten Revolverschützen des Landes, und Gabi Goldblum, genannt »der Knacker«. Sie warteten vor dem Eingang zur Nationalbank in der Bialikstraße, mit schwarzen Strumpfmasken über ihren Gesichtern und griffbereiten Handwerksgeräten. Die schwere, stählerne Eingangstür wurde von zwei Scheinwerfern scharf angeleuchtet, und während »Twiggy«, der Dynamitfachmann, die Sprengladung zu installieren begann, versuchte ich die Menge der Neugierigen, die sich angesammelt hatten, zurückzudrängen:
    »Bitte, machen Sie Platz! Wir sind ja nicht zum Vergnügen hier! Wir brauchen Platz zum Arbeiten!
    Bitte zurücktreten!«
    Niemand rührte sich. Hingegen erkundigten sich fast alle, was hier eigentlich vorginge. Ich bemühte mich, ihren Neuigkeitsdrang zu befriedigen: »Raubüberfall auf die Nationalbank«, sagte ich.
    »Das perfekte Verbrechen.«
    »Ist das der Titel?«
    »Nur der Arbeitstitel. Bitte zurücktreten.«
    Auf einem Klappstuhl gegenüber dem ins Scheinwerferlicht getauchten Eingangstor saß Jossele, komplett mit Augenschirm, dicker Zigarre und Megaphon, zur Seite die auf einem eindrucksvollen Tripod montierte Kamera, die keinerlei Film im Innern barg. Jetzt erteilte er - unter Verwendung eines bis dahin noch nirgends gehörten amerikanischen Akzents - seine letzten Anweisungen:
    »Aufgepasst, Boys! Sowie das Tor in die Luft fliegt, stürzt ihr hinein. Ich kann die Szene kein zweites Mal schießen, verstanden? Sie muss sofort in den Kasten. Gibt's hier irgendwo Polizei?«
    »Jawohl, Sir!« Ein smarter Vertreter der Ordnungsmacht eilte herbei und salutierte. »Was kann ich tun,
    Sir?«
    »Bitte, sorgen Sie dafür, dass die Aufnahme nicht gestört wird, guter Mann«, sagte Jossele leutselig. Dann brüllte er durchs Megaphon: »Okay! Wir fahren !«
    Das Auge des Gesetzes hielt die Menge in Schach und beauftragte durch sein Sprechgerät zwei Kollegen, an den beiden nächsten Straßenecken jeden Verkehr zu stoppen.
    Ich sprang vor die Kamera und ließ die Holzklappe mit der Aufschrift Bankraub - Außen,
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