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Mein Europa: Mit einem Gespräch mit Joschka Fischer (German Edition)

Mein Europa: Mit einem Gespräch mit Joschka Fischer (German Edition)

Titel: Mein Europa: Mit einem Gespräch mit Joschka Fischer (German Edition)
Autoren: Helmut Schmidt
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Frankreichs, nicht aber Deutschlands auf nukleare Waffen«, sagt er.
    Auch de Gaulle und Adenauer, Mitterrand und Kohl bestehen vor seinem strengen historischen Urteil. Angela Merkel hält er für eine Europäerin allein des Verstandes, nicht des Herzens.
    Die deutsch-französische Zusammenarbeit gehört für Schmidt zu den strategischen »Grundprinzipien« der Integration Europas. Hinter dem Schuman-Plan habe bei den Franzosen außen- und sicherheitspolitisches Kalkül gestanden. »Aber sie mussten ihr Herz überwinden. Und das haben sie gemacht, sie haben ihr Herz eingebracht.«
    Nach der großen Wende zu Beginn der neunziger Jahre ist die deutsch-polnische Zusammenarbeit als ein weiteres Grundelement der Integration Europas hinzugekommen. Schmidt war sich der Bedeutung Polens für Deutschland und für Europa, aber auch innerhalb Europas für das deutsch-französische Tandem stets bewusst. 1966 bereiste er Polen erstmals. Im selben Jahr wies er in seiner Rede auf dem SPD -Parteitag darauf hin, dass die friedliche Wiedervereinigung des deutschen Volkes nur im Zusammenhang mit der Wiederherstellung Europas möglich sein würde. Als Bundeskanzler pflegte Schmidt gute, im Falle von Parteichef Edward Gierek fast freundschaftliche Kontakte zu seinen polnischen Gesprächspartnern. Auch besuchte er Auschwitz. Nach dem Ausscheiden aus den politischen Ämtern übernahm er 1995 für mehrere Jahre die Präsidentschaft des Deutschen Polen Instituts in Darmstadt.
    Die historische Einzigartigkeit der europäischen Einigung stand Schmidt von Beginn an klar vor Augen. Und doch setzte er, allen Visionen abhold, auf eine Politik des bedächtigen Vorangehens, eine Politik des – wie sein Lieblingsphilosoph Karl Popper es nannte – »piecemeal engineering«. Dass es dabei immer wieder zu Rückschlägen kommen musste, kalkulierte er ein. Wie sollte es anders sein? »Europa lebt«, schrieb er 1974 , »aber mir scheint, es lebt von Krisen.«
    Dafür sorgten schon die Briten, die dabei sein, aber nicht richtig dazu gehören wollten. De Gaulle hatte sich in den sechziger Jahren gegen den britischen Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft gesperrt. Der kam dann doch 1973 . Aber in Großbritannien blieben die Reserven gegen den »Kontinent« groß, bei den Konservativen genauso wie in der Labour Party.
    Auf einem Labour-Parteitag im November 1974 warb Helmut Schmidt um die Zweifler auf dem linken Flügel der Schwesterpartei – ausdrücklich nicht als Bundeskanzler, sondern als deutscher Sozialdemokrat. »Geboren und aufgewachsen in der alten Schifffahrts- und Handelsstadt Hamburg, die sich zuweilen britischer benimmt als die Briten selbst, bin ich immer ein Bewunderer der glorreichen Traditionen und Tugenden britischer demokratischer Institutionen gewesen.«
    Die Briten sind Mitglieder der Gemeinschaft geblieben, aber zu Europäern aus heißem oder auch nur kühlem Herzen sind sie nicht geworden. Es sei ihm schon klar, schrieb Helmut Schmidt 1984 , für viele in der politischen Klasse Großbritanniens sei »nach wie vor der Kanal breiter als der Atlantik«.
    Dabei kann Schmidt die britische Kritik an der Europäischen Union gut nachvollziehen. In vielem teilt er sie ja. Niemand wütet so schön wie er über Bürokratismus und Zentralismus in Brüssel. Hohn und Spott gießt er über die Kommissare aus, die »sich immer um die drittrangigen Probleme kümmern, manchmal um die zweitrangigen und nie um die erstrangigen Probleme«. Zum Beweis hält er dann gern eine Zigarettenschachtel in die Höhe mit der aufgedruckten Warnung vor den Gefahren des Rauchens!
    Diese Union, die nach seinem Urteil viel zu schnell gewachsen ist, braucht eine Reform an Haupt und Gliedern, davon ist er überzeugt. Man stelle sich einen Dax-Konzern mit 28 Vorstandsmitgliedern vor, schimpft er. Zum Schießen! Würde nie funktionieren! Und deshalb seien auch 28 Kommissare in Brüssel der reine Unfug.
    Eine der wichtigsten institutionellen Reformen, derer die EU dringend bedürfe, müsse deshalb die Verkleinerung der Kommission sein, von 28 Kommissaren auf »maximal zwölf«. Zweitens müsse die Einstimmigkeit im Europäischen Rat zugunsten des Mehrheitsprinzips abgeschafft werden. Und drittens müssten die Stimmgewichte unter den Mitgliedsländern neu aufgeteilt werden.
    Diese drei Schritte sind für Schmidt das absolute Minimum, um die Arbeitsfähigkeit der EU zu erhalten. Zwei andere Dinge liegen ihm besonders am Herzen. Zum einen brauche das Europäische Parlament
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