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Mein Europa: Mit einem Gespräch mit Joschka Fischer (German Edition)

Mein Europa: Mit einem Gespräch mit Joschka Fischer (German Edition)

Titel: Mein Europa: Mit einem Gespräch mit Joschka Fischer (German Edition)
Autoren: Helmut Schmidt
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Konferenz der sozialistischen Parteien der Marshall-Länder Ende April in Paris zu einer Einigung kommen. Man verschob die Entscheidung bis zur nächsten Konferenz der sozialistischen Parteien Anfang Juni in Wien.
    An diesem Punkt kann die deutsche Sozialdemokratie einen entscheidenden Beitrag leisten und den Weg für das Zustandekommen einer europäischen Planungszentrale erleichtern: Es handelt sich um nicht weniger als eine Revision unserer bisherigen Stellung in der Ruhrfrage.
    Bisher haben wir einer Internationalisierung des Ruhrgebietes nur zustimmen wollen, wenn gleichzeitig auch die übrigen europäischen Schwerindustrien internationaler Lenkung unterstellt würden. Wir haben eine Sozialisierung auf nationaler Basis gefordert und haben uns dabei vielleicht auch lenken lassen von der Erinnerung an die Jahre nach 1918 , in denen die Sozialdemokratie es angeblich versäumt hat, die »berechtigten deutschen Forderungen« entschieden genug zu vertreten, was die Abwanderung der Wähler nach rechts zur Folge hatte. Diese Erinnerungen haben zu einer sterilen Außenpolitik geführt, ganz zu schweigen von der Gefahr nationalistischer Infiltration, der die Anhänger unserer Partei infolge unserer scharfen und unnachgiebigen Sprache in der Ost- wie in der Ruhrfrage ausgesetzt sind.
    Was das Ruhrgebiet angeht, so sollten wir uns darüber klar sein, dass, sofern die dritte Macht Europa nicht zustande kommt, auch eine Ruhrindustrie unter pseudodeutscher Lenkung (und das wäre ja doch das Höchste, was wir dem amerikanischen Kapital gegenüber erreichen könnten!) das allgemeine Siechtum der übrigen europäischen wie auch der deutschen Volkswirtschaft und den politischen Verfall nicht im Geringsten beeinflussen kann. Wir sollten weiter uns daran erinnern, wie außerordentlich viel unsere französischen Genossen, an der Spitze Blum und Grumbach, seit dem Kriege für uns getan haben und dass die Sozialisten der westeuropäischen Länder bereits im März 1945 in London gemeinsam den Plan einer internationalen Kontrolle der Ruhrindustrie beschlossen – im auffälligen Gegensatz zur tatsächlichen Politik ihrer Länder, die damals noch die Reagrarisierungsidee Morgenthaus verfolgten. Wenn wir dafür den Franzosen heute entgegenkommen würden, so wird das nicht nur dem Zustandekommen einer wirtschaftlichen Koordinierung Resteuropas dienen, sondern darüber hinaus die gefährdete Position der sozialistischen Partei Frankreichs stärken und eine gute Hilfe für die Beruhigung des deutsch-französischen Problemes leisten, das im Bewusstsein der öffentlichen Meinung Frankreichs verständlicherweise noch immer unter den wichtigsten Lebensfragen rangiert.
    Wir wissen, dass die Sozialisierungsberatungen im nordrhein-westfälischen Landtag eine Propagandaaffäre bleiben werden und dass die englische Regierung nicht in der Lage ist, die dort etwa beschlossenen Gesetze über die Ruhrindustrie zu sanktionieren. Unsere Hoffnung, dass die englische Regierung sich mit ihren bisher ausschließlich theoretischen Sozialisierungsabsichten gegenüber der amerikanischen Regierung durchsetzen kann, erscheint heute geringer denn je. Die einzige Chance zu verhüten, dass die Ruhr wieder in kapitalistische Hände gerät, seien es deutsche oder amerikanische, ist eine »internationale Nationalisierung« (Leon Blum) im Rahmen der Marshall-Länder. Hierbei sollte die amerikanische Beteiligung nicht größer sein, als sie dem Interesse der amerikanischen Besatzungszone Westdeutschlands entspricht. Die Frage einer Beteiligung Sowjetrusslands braucht heute nicht mehr diskutiert zu werden.
    Diese Überlegungen führen zu folgendem Vorschlag: Unsere Partei sollte bei Gelegenheit der nächsten Konferenz den sozialistischen Parteien der Marshall-Länder einen ausgearbeiteten Entwurf über eine internationale Lenkung und Kontrolle der Geschäftsführung der Kohle- und Stahlproduktion in Nordrhein-Westfalen vorlegen. Der Plan sollte bezüglich der Zusammensetzung der Lenkungs- und Kontrollbehörden von den Vorstellungen über die Durchführung einer Sozialisierung ausgehen, wie sie heute in den sozialistischen Parteien der Marshall-Länder und Westdeutschlands vorhanden sind, insbesondere sollte starkes Gewicht auf die Stellung der Gewerkschaften der beteiligten Länder und unabhängig davon auf den Einfluss der Ruhrarbeiterschaft gelegt werden. Der Plan sollte die Frage der Gewinnverteilung, eine allgemeine Regelung der Reparationen und den Modus der Festsetzung
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