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Mein Europa: Mit einem Gespräch mit Joschka Fischer (German Edition)

Mein Europa: Mit einem Gespräch mit Joschka Fischer (German Edition)

Titel: Mein Europa: Mit einem Gespräch mit Joschka Fischer (German Edition)
Autoren: Helmut Schmidt
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Europas braucht seine Zeit.« Auch das hat ihn Jean Monnet gelehrt, jener große Franzose, der am Beginn von Helmut Schmidts Weg nach Europa stand und der ihm bis heute ein geistiger Weggefährte geblieben ist. Denn bei aller Skepsis: Etwas Besseres, als umgeben von Freunden inmitten eines friedlichen Europas zu leben, werden die Deutschen nicht finden auf der Welt.

Ja zum Ruhrstatut: Ein frühes Bekenntnis zu Europa ( 1948 / 1949 )
    Zu den ersten Veröffentlichungen Helmut Schmidts zählen zwei Aufsätze zur Ruhrfrage, die er 1948 / 49 im Mitteilungsblatt der Hamburger Landesorganisation der SPD veröffentlichte. Im ersten Beitrag vom Juni 1948 forderte Schmidt, damals Vorsitzender des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes ( SDS ), die Zustimmung seiner Partei zu einer Internationalisierung des Ruhrgebiets, da auf Dauer nur eine europäische Regelung der Kohle- und Stahlproduktion in Betracht komme. Schmidt wusste, dass seine Forderung auf »nicht weniger als eine Revision unserer bisherigen Stellung in der Ruhrfrage« hinauslief.
    Nur zögernd und um wesentliche Sätze gekürzt, druckte die Redaktion acht Monate später einen zweiten Beitrag Schmidts, in dem er die Vorzüge des Anfang 1949 verabschiedeten Ruhrstatuts erläuterte und seine Partei nochmals aufforderte, ihren nationalistischen Standpunkt in dieser Frage aufzugeben. Zwei Tage nach Veröffentlichung reagierte der SPD -Parteivorstand mit einer Rüge an den Vorstand der Landesorganisation Hamburg, dass der Artikel »eines Genossen Helmut Schmidt in der erstaunlichsten Weise gegen den Beschluss des Parteivorstandes und des Parteiausschusses polemisiert«. Die Hamburger wiesen den Vorwurf zurück: Es handele sich bei dem monierten Artikel um einen »Diskussionsbeitrag«. Schmidt selbst wiederum beschwerte sich bei der Landesorganisation, dass besonders heikle Sätze dem Rotstift zum Opfer gefallen waren: »Sorgfältige schriftliche Kritik ist dreimal so viel wert wie oppositionelle Zehnminutenreden auf Jahresparteitagen.«
    D ie nachfolgenden Ausführungen basieren auf dem Konzept der dritten Macht, das seit einigen Monaten, zunächst in Frankreich geschaffen, auf dem Wege über die Labour Party in das Bewusstsein eines größeren Teils der politisch denkenden Europäer eingedrungen ist. Dabei wird nicht beabsichtigt, sich mit den teilweise weitgehend variierenden Vorstellungen auseinanderzusetzen, sondern es soll allein die Möglichkeit eines praktischen Beitrages behandelt werden, die der deutschen Sozialdemokratie heute gegeben scheint.
     
    Bei der großen Geschwindigkeit, mit der seit Kriegsende die Machtverhältnisse der Welt sich zu dem heutigen System der Ost-West-Polarisation zugespitzt haben, und angesichts der Schnelligkeit, mit der sie sich in dieser Richtung laufend weiter versteifen, wird deutlich, dass die Konsolidierung Europas als eines die dritte Kraft darstellenden Gesamtkörpers nicht der geruhsamen Entwicklung von Generationen oder auch nur von Jahrzehnten überlassen werden darf, wenn immer sie noch rechtzeitig wirksam werden soll. Nur bei schnellem gemeinsamen Handeln zur Erreichung der gemeinsamen Ziele besteht die Hoffnung, dass eine starke politische und wirtschaftliche Vereinigung Resteuropas auf den Feldern der Weltwirtschaft wie der Weltpolitik rechtzeitig ein so starkes Gewicht erlangen kann, dass sie die Balance zwischen Ost und West zu halten vermag. Attlee hat diesen Sachverhalt kürzlich in einem Satz zusammengefasst: »Sich einigen oder untergehen.«
    Es kann für uns kein Zweifel bestehen, dass die dritte Kraft nur unter sozialistischer Initiative zustande kommen wird. Die augenblickliche Föderationsfreudigkeit konservativer Führer wie Churchill entspringt rein defensiven Überlegungen und wird den Aufbau eines einheitlich wirtschaftenden Körpers nicht befruchten.
    Es ist klar, dass der Zusammenschluss von jedem einzelnen Lande Opfer verlangt. Die allgemeine Vertrauenskrise bewirkt aber, dass niemand zuerst etwas zugunsten des gemeinsamen Topfes aufgeben will: Weder der eine ein Stück seines hohen Lebensstandards, noch der andere sein mühsam funktionierendes Wirtschaftssystem, noch der dritte seine Ansprüche auf politische oder wirtschaftliche Souveränität. In dieser Situation ist die Ruhrfrage zum neuralgischen Punkt geworden. Weder war die Londoner Sechs-Mächte-Konferenz in der Lage, die Gegensätze zwischen der französischen und amerikanischen Auffassung zu einem Kompromiss zu bringen, noch konnte die
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