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Mein Europa: Mit einem Gespräch mit Joschka Fischer (German Edition)

Mein Europa: Mit einem Gespräch mit Joschka Fischer (German Edition)

Titel: Mein Europa: Mit einem Gespräch mit Joschka Fischer (German Edition)
Autoren: Helmut Schmidt
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unterschiedlichen Interessen der beiden Länder und ihrer Regierungen auf diesem Felde das deutsch-französische Verhältnis nicht strapazieren müssen.
    Ich möchte im Namen meiner Fraktion, ähnlich wie eben schon gehört, allerdings aussprechen, dass wir das große Ziel der europäischen Einigung – einschließlich Englands und der skandinavischen Staaten und anderer – weiterhin anstreben. Für uns ist die Aufrechterhaltung und die Festigung des Zusammenhalts Westeuropas ein wesentliches Fundament, eine Voraussetzung für die Deutschlandpolitik, für die Wiedervereinigung, die wir erstreben.
    Wir begrüßen in diesem Zusammenhang den Willen der britischen Regierung, der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beizutreten, sehen mit Interesse den Gesprächen des britischen Premierministers und seines Außenministers mit den Regierungen der Mitgliedstaaten entgegen und sind uns dabei darüber klar, dass die Basis der Römischen Verträge nicht verlassen werden kann.
    Auch auf dem Gebiet der Verteidigung gibt es Meinungsverschiedenheiten zwischen Frankreich und uns. Das hängt auch mit unterschiedlichen Interessen zusammen. Die Meinungsverschiedenheiten beziehen sich auf die Organisation und den Integrationsgrad des Bündnisses, dem wir beide angehören, und auf die militärische Strategie. Die Bundesrepublik bleibt ihrer exponierten Sicherheit wegen an einem unmittelbaren militärischen Engagement der Vereinigten Staaten und an einer engen Zusammenarbeit mit Washington sehr viel stärker interessiert, als das in Frankreich vom französischen Interessengesichtspunkt aus empfunden wird.
    Aber es gibt auch auf dem Felde der Verteidigung weitreichende Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit Frankreich, Möglichkeiten für uns, die in den letzten Jahren nicht genutzt worden sind. Die völlig einseitige Beschaffungspraxis der letzten Jahre hat nicht nur in Washington sehr illusionäre Vorstellungen von einer kontinuierlichen deutschen finanziellen Leistungskraft und illusionäre Vorstellungen von einem kontinuierlichen deutschen Bedarf an amerikanischen Flugzeugen und Schiffen und Waffen und Gerät entstehen lassen, sondern sie hat auf der anderen Seite zwangsläufig auch Frankreich vernachlässigt.
    Das wird von der gegenwärtigen Regierung keineswegs im Handumdrehen geändert werden können. Es handelt sich um langfristige Programme, deren Abwicklung viel Zeit und viel Geld erfordert. Die Bundesregierung wird das nicht von heute auf morgen ändern können. Aber wir haben doch die Möglichkeit, in Verfolg der Verhandlungen, die in Paris geführt worden sind, bei den nun verabredeten Gesprächen der Verteidigungsminister im Rahmen der vertraglichen Konsultation die abgerissenen Fäden wieder ein bisschen zusammenzuknüpfen.
    Ich selbst habe seit Jahr und Tag zu den Leuten gehört, die hier in diesem Hause und auch in der Öffentlichkeit auf dem nichtnuklearen Gebiet eine starke gemeinsame Entwicklung und Produktion mit den Franzosen immer wieder verlangt haben. Abgesehen von dem Concorde-Projekt, das die Franzosen und die Engländer gemeinsam machen, haben gerade vor zwei Tagen der englische Verteidigungsminister und der französische Verteidigungsminister vier gemeinsame Flugzeugentwicklungs- und Flugzeugproduktionsprogramme verabredet. Das ist ein Zeichen dafür, dass es doch Felder gibt, auf denen die Franzosen auch mit anderen zusammenarbeiten wollen, in diesem Fall sogar mit den Engländern, wo sonst der Wunsch nach Zusammenarbeit nicht ganz so deutlich ausgesprochen wird wie uns gegenüber. Unser Verteidigungsministerium – um ein Beispiel zu geben – sollte das erkennen, wenn man zum Beispiel vor der Notwendigkeit steht, demnächst einen Abfangjäger als Nachfolgemuster für den Starfighter 104 G einerseits und für die französische Mirage 3 andererseits zu entwickeln. Ich rede von Problemen, die in den siebziger Jahren aktuell werden, die man aber spätestens acht Jahre vorher angehen muss. Ich nenne das als ein Beispiel, das Chancen bietet, ähnlich wie das, was die Engländer und die Franzosen jetzt verabredet haben.
    Es gibt andere Beispiele, andere Möglichkeiten auf dem Felde der gepanzerten Fahrzeuge oder der Elektronik schlechthin für Telekommunikation, für Luftraumüberwachung, für Computer usw. Und gerade das, was ich zuletzt nannte, setzt sich dann doch später auf dem viel größeren und auf die Dauer unendlich viel wichtigeren Sektor der zivilen Technologie und der zivilen technischen Entwicklung
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