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Mehr als nur ein Zeuge

Mehr als nur ein Zeuge

Titel: Mehr als nur ein Zeuge
Autoren: Keren David
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lassen, junger Mann.«
    Klar, hab ich. Was ich mit am grässlichsten auf der St. Saviours fand, war der vorgeschriebene Kurzhaarschnitt, wie beim Militär. Inzwischen fällt mir der Pony beinahe in die Augen.
    |26| Maureen nickt zufrieden, dann mustert sie mich von oben bis unten. »Eigentlich brauche ich gar nicht mehr viel zu machen, du bist ja schon ziemlich unauffällig gekleidet. Setz so oft wie möglich die Kapuze auf   – genau. Würde man nicht erwarten, dass einen die Polizei zu so was auffordert, oder? Ich hab dir noch ein paar andere Sachen mitgebracht, und ich glaube, Doug hat dir auch schon eine Schuluniform besorgt.«
    Schuluniform? Ich wusste gar nicht, dass ich wieder in die Schule gehe.
    »Er ist ein hübscher Junge«, sagt sie noch, als wäre ich gar nicht da. »Ungewöhnliche Augenfarbe, dieses Hellgrün. Da müssen wir etwas unternehmen. Und die Haare sollten wir wohl dunkler färben   … aber das muss laufend nachgetönt werden, sonst sieht man den Ansatz.« Sie und Nicki fangen an zu kichern, weil ich anscheinend ein total entsetztes Gesicht mache. Ich bin bloß froh, dass keiner meiner alten Mitschüler je etwas davon erfahren wird.
    Maureen verwandelt das kleine Hotelbadezimmer in einen Friseursalon und nimmt sich zuerst Nicki vor. Nicki geht sofort in die Luft, als sie die Schere sieht. »Die Haarverlängerung hat ein Vermögen gekostet!«, protestiert sie, als die Strähnen auf die Fliesen fallen. »Muss das unbedingt sein? Reicht es nicht, dass man uns aus unserer Wohnung vertrieben hat?«
    Aber ich denke an die Flammen, die alles vernichtet haben, von
TV Quick
bis zum
Playboy,
und bezweifle, dass es unsere Wohnung noch gibt, darum beschwere ich |27| mich auch nicht, als mir Maureen eine stinkende Pampe in die Haare schmiert und dann auch noch was auf die Augenbrauen, das kribbelt und brennt.
    Sie wäscht mir die Haare und wickelt ein Handtuch darum, was total beknackt aussieht, dann muss ich mich aufs Bett setzen. »Augen weit auf«, sagt sie und pikt auch schon mit dem Finger rein. Ich zucke zurück und schreie vor Schmerz auf. Wo steht geschrieben, dass die Polizei mich foltern darf? »Das sind bloß Kontaktlinsen«, beruhigt mich Maureen, aber ich lasse sie nicht mehr an mich ran. Schließlich schaffe ich es, mir die Dinger unter Todesqualen selbst einzusetzen.
    Maureen fönt mir die Haare trocken und schrubbt mir die Augenbrauen mit einem Waschlappen. Im Hintergrund gackert Nicki ganz komisch. Dann darf ich mich im großen Spiegel betrachten. Irgendwie habe ich immer noch grüne Augen und hellbraune Haare erwartet. Stattdessen sehe ich ein bleiches Gesicht, schwarze struppige Haare, krass schwarze Augenbrauen und dunkelbraune Augen   – gerötete Augen. Nur das spitze Kinn ist noch einwandfrei meins, und es wirkt jetzt noch viel spitzer als vorher, weil mein Gesicht kein bisschen mehr pausbäckig ist. Überhaupt bin ich schmaler und schlanker als früher.
    »Und? Gefällt’s dir?«, fragt Maureen.
    »Ich sehe aus wie ein blöder Goth«, brummle ich und ziehe probehalber die Augenbrauen hoch. Eigentlich sieht es gar nicht so übel aus. Ich wirke viel älter. Allem Anschein nach bin ich während der Gefangenschaft |28| gewachsen und die strubbligen schwarzen Haare sind super.
    Maureen dreht sich zu Nicki um. »Ich glaube, das ist mir recht gut gelungen.« Aber Nic untersucht immer noch ihre brünette Helmfrisur Marke Vogelscheuche des Jahres und würdigt mich keines Blickes. Mit einem beschissenen Haarschnitt und ein paar Unisex-Sweatshirts hat es Maureen geschafft, sie von einer attraktiven Frau, die ein bisschen wie Nadine Coyle aussah, in eine absolute Hackfresse zu verwandeln. Arme Nic. Eben sah sie noch aus wie höchstens fünfundzwanzig, jetzt wie um die vierzig. Dabei ist sie in Wirklichkeit einunddreißig. Falls es mal eine Fernsehsendung mit dem Titel
Zehn Jahre älter in zwei Stunden
geben sollte, kann sich Maureen als Moderatorin bewerben.
    Doug kommt wieder rein und sagt: »Bravo, Maureen, sehr schön. Ich habe alles vorbereitet, wir können los   – über die Hintertreppe bitte, ich möchte nicht, dass hier irgendwer was von Ihrer Verwandlung mitkriegt. Das Packen dürfte ja nicht lange dauern, oder?«
    Damit hat er recht, schließlich hatten wir in der Bude nicht mal genug Platz zum Auspacken. »Müssen wir gleich los?«, fragt Nicki. »Und wohin überhaupt?«
    Doug sagt, er erklärt uns alles im Auto.
     
    Nicki sitzt vorn neben ihm, ich sitze mit Maureen hinten.
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