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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel
Autoren: C Walden
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so wie es sich nur von wenigen Lateinern oder Griechen behaupten ließe.
    »Möglicherweise habe ich mich missverständlich ausgedrückt«, erklärte er. »Wenn ich gesagt habe, dass Geld ihn nicht in seiner venezianischen Heimat halten konnte, dann nicht, weil ich damit andeuten wollte, es käme ihm in erster Linie auf Reichtum und Profit an. Er ist Arzt und kein Kaufmann – seit vielen Jahren von dem Gedanken besessen, die Pest zu erforschen. Und wenn einer wie er mehr darüber erfahren will, dann tut er gut daran, sich dorthin zu begeben, wo er dem Objekt der eigenen Wissbegier mit möglichst großer Wahrscheinlichkeit auch begegnet.«
    »Er ist Venezianer?«, wunderte sich Maria. »Wie heißt er?«
    »Fausto Cagliari. Erschreckt Euch nicht, wenn er Euch gegenübersteht oder wenn er Euch auffordert, eigenartige Dinge zu tun. Er weiß sehr genau, was er tut. Der Kaiser vertraut ihm seit vielen Jahren.«
    Maria sah Davide fragend an. Eine Falte hatte sich auf ihrer glatten, aber von Ruß befleckten Stirn gebildet. »Ist es nicht ein Risiko, sich von einem Arzt des Kaisers untersuchen zu lassen? Davide, was ist, wenn sich die Befunde bei Hof herumsprechen und sie von den falschen Schranzen benutzt werden, um Intrigen zu spinnen?«
    »Ein gutes Argument, Schwesterlein!«, mischte sich nun Marco ein, der sich bisher zurückgehalten und so gewirkt hatte, als würde ihn weder das Gespräch noch die bevorstehende Begegnung mit einem Arzt in irgendeiner Weise besonders interessieren. »Zumal er doch Venezianer ist – und wir wissen doch beide, mit welch üblen Tricks uns die Venezianer lieber heute als morgen aus dem Geschäft drängen würden!«
    »Ihr habt nicht Unrecht«, gestand Davide ein. »Doch was Fausto Cagliari angeht, so sind Eure Bedenken unbegründet, Marco. Wie gesagt, Kaiser Johannes vertraut ihm seit vielen Jahren. Er berief ihn in seine Dienste, nachdem seine Frau an der Pest gestorben war.«
    »Ein weiterer Beweis dafür, dass die Macht Satans inzwischen überall zu Hause ist – auch und vor allem im Palast des Kaisers!«, meinte Marco.
    »Du redest wirres Zeug, Marco!«, sagte Maria.
    »Ach ja? Hast du den Tag nicht mehr in Erinnerung, als die Kaiserin starb, die deinen Namen trug? Jedem muss spätestens von da an doch klar gewesen sein, dass die Macht des Übels selbst die fugenlosen Wände des kaiserlichen Palastes durchdrungen hat!« Marco schüttelte energisch den Kopf. »Ich werde mich von diesem Quacksalber nicht untersuchen lassen!«, entschied er. »Es besteht kein Anlass dazu!«
    »Es ist unumgänglich, sich untersuchen zu lassen!«, erwiderte Davide in einem Tonfall, der eine wohlwollende Bestimmtheit ausdrückte, die keinen Widerspruch duldete. »Nur, wenn Euch Meister Cagliari als jemand einstuft, der nicht in der Gefahr steht, die Krankheit zu verbreiten, werdet Ihr noch damit rechnen können, Eure Anliegen bei Hof vortragen zu dürfen. Und darauf sind wir angewiesen, wie ich Euch erinnern darf, Marco!«
    »Ihr redet wie mein Vater!«, maulte Marco. »Aber bildet Euch nur nicht ein, dass Ihr dieselben Rechte mir gegenüber hättet oder dass nun alles beim Alten bliebe, Levantiner! Das Testament mag Euch die eine oder andere Befugnis über die Geschäfte geben, mehr jedoch nicht!«
    »Marco, seid vernünftig! Sonst setzt Ihr alles aufs Spiel, was Generationen vor Euch aufgebaut haben! Das könnt Ihr doch unmöglich wollen!«
    Marco antwortete nicht. Während der Wagen weiterhin die Straße entlangfuhr, die immer häufiger von Schlaglöchern unterbrochen wurde, zog er es lieber wieder vor, sich in sich zurückzuziehen.
    Davide wandte sich an Maria. »Vielleicht habt Ihr den nötigen Einfluss auf Euren Bruder, um ihm zu erklären, weshalb Euch beiden, also auch ihm, unbedingt die völlige Freiheit von jeglichen Symptomen des Schwarzen Todes bescheinigt werden muss . Andernfalls wird man Euch sicher in jeder Hinsicht meiden – geschäftlich kann das, nein, wird das den Ruin mit sich bringen.«
    »Vermutlich überschätzt Ihr meinen Einfluss«, sagte Maria bescheiden und mit leicht resigniertem Tonfall. Früher standen sie sich sehr nahe, und Marco hatte all die Zweifel mit ihr geteilt, die ihn innerlich zerrissen: Fragen nach dem Sinn des Lebens im Angesicht einer Welt, die aus den Fugen zu geraten schien, Fragen nach der Macht Gottes, der doch angeblich allmächtig war und trotzdem das Leid und den allgemeinen Verfall nicht zu verhindern vermochte und der seine Macht so schrecklich selten
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