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Meagan McKinney

Meagan McKinney

Titel: Meagan McKinney
Autoren: VA1 - Der Gigant und die Lady
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wahrscheinlich an
seine nächsten Gewinne. Wieder machte die Kutsche einen Satz, der Christal
gegen die spitze Kante der Kommode preßte. Diesmal rieb sie sich die Seite, als
sie sich zurücksetzte.
    »Heiße
Henry Glassie, Ma'am.«
    Sie sah auf
und entdeckte, daß der Händler sie anlächelte. Er hatte ein ausgesprochen
freundliches Gesicht, und sie konnte ihn sich gut als Begleitung für eine lange,
staubige Reise wie diese durch die Prärie vorstellen. Doch sie
wollte keine Begleitung. Sie zog das Schweigen vor. Im Schweigen konnte sie
sich verstecken. Wenn auch nicht vor sich selbst.
    Durch den
Schutz ihres Schleiers starrte sie den Mann an. Mit Bitterkeit überlegte sie,
ob die Freundlichkeit in seinen Augen wohl verschwinden würde, wenn sie ihm
sagte, wer sie war. Daß Plakate mit ihrem Gesicht von Maine bis Missouri
hingen. Daß die Handschuhe, die sie trug, nicht nur den fehlenden Ehering
verbergen sollten, sondern auch die Narbe auf ihrer Handfläche, die auf jedem
dieser Plakate nachgezeichnet war. Das letzte Plakat hatte sie in Chicago gesehen,
und das war drei Jahre her gewesen. Das Gebiet hier in Wyoming schien weit
genug davon entfernt, daß sie sich sicher fühlen konnte. Doch jeden Tag machte
sie sich aufs neue Sorgen, daß sie sich vielleicht täuschte. In New York war
sie in einem Alptraum gefangen gewesen. Nun rannte sie von diesem Alptraum und
vor ihrem eigenen Gesicht davon. Und vor dem grausamen Mann, der sie umbringen
würde, bevor sie die Wahrheit über ein Verbrechen verkündete, daß sie nicht
begangen hatte.
    »Madam,
darf ich fragen, wie ich die Ehre habe, Sie ansprechen zu können?« Der
Mann hob die Augenbrauen, als wollte er um ihren Namen flehen. Er schien wild
entschlossen, mit ihr Konversation zu machen.
    »Ich bin
Mrs. Smith«, antwortete sie mit tiefer, höflicher Stimme.
    Sein Lächeln
wurde breiter. »Ein reizender Name, Smith. So demokratisch. Und leicht
zu behalten.«
    Nun hätte
sie fast gelächelt. Er hatte ihr förmlich gesagt, wie gewöhnlich ihr Name war
... und er hatte recht. Deswegen hatte sie ihn ja auch gewählt. Dennoch hatte
Mr. Glassie es auch geschafft, daß sie sich geschmeichelt fühlte. Er besaß
offensichtlich das Handwerkszeug eines brillianten Verkäufers: Er redete mit
silberner Zunge, sah freundlich und ordentlich aus, und sein Auftreten in
seinem modischen grüngrauen Anzug und der großen, perlenbesetzten Nadel in
seiner passenden Krawatte ließ darauf schließen, daß er in seinem Beruf sehr
erfolgreich war.
    Doch arme
Witwen kauften kaum neue Möbel, und so war die Unterhaltung zu ihrer großen
Erleichterung bald erschöpft. Erneut konnte sie in Ruhe in die platte
Prärielandschaft schauen. Gelegentlich zog sie ihr Taschentuch heraus, schob
ihre Hand unter den dunklen Schleier und tupfte die Schweißperlen von ihrer
Stirn. Die Sonne brannte über ihnen, und Staub drang durch das offene Fenster,
um ihr Kleid mit einer schiefergrauen pudrigen Schicht zu bedecken. Sie waren
eben erst losgefahren. Noble war eine lange Tagesreise entfernt. Christal war
begierig darauf, endlich anzukommen.
    In den
letzten drei Jahren hatte sie viel über Noble gehört. All ihre Hoffnungen
ruhten in dieser kleinen Stadt. Sie hatte es satt davonzulaufen, und sie hatte
gehört, daß Noble ein gutes Versteck war. Viele Spieler, viele Frauen und
niemand, der überflüssige Fragen stellte. Nicht einmal ein Sheriff. Seit
Jahren hatten sie dort keinen mehr gehabt. Man sprach über Noble so wie man
über South Pass und Miners Delight redete. Die Stadt war im Zuge des
Goldrauschs aus dem Nichts entstanden und genauso schnell wieder untergegangen.
Doch die unbekümmerte Art Nobles hatte die Stadt am Leben gehalten, die nun
hauptsächlich von Cowboys und Männern bevölkert wurde, die mit der Union
Pacific auf dem Weg nach Norden waren. Christal hoffte, dort eine Weile in Ruhe
bleiben zu können und sichihr Geld in einer Küche, beim Faro 1 oder, wenn es sein mußte, mit Tanzen zu verdienen, da es keinen Mann des
Gesetzes geben würde, der etwas dagegen haben könnte. Es war nicht gerade ihre
Lieblingsbeschäftigung, Tänze zu verkaufen – die Männer waren meistens ungehobelt,
und manchmal rochen sie schlecht. Aber wenn sie keine andere Wahl hätte, würde
sie es tun ... das Wichtigste war schließlich das Überleben. Und es gab sehr
viel schlechtere Möglichkeiten, Geld zu verdienen. Gerade für eine Frau.
    Christals
Augen verdunkelten sich, als würde sie die Szenerie um sie herum
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