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mayday mayday ... eastern wings 610

mayday mayday ... eastern wings 610

Titel: mayday mayday ... eastern wings 610
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gedämpft. Was sie aufnahm, hatte nichts mit der Realität zu tun, und doch beherrschte es ihre Reaktionen. Sie wußte nur eines: Du darfst nicht weitergehen! Du kannst auch nicht … Und spürte dabei eine fremde, bedrohliche Welle von Wärme in sich aufsteigen. Die Finger ihrer Hände krampften sich zusammen. Und nun waren Schreie in ihr, Angstschreie, Todesschreie. Sie sah ein abgerissenes Männerbein, sah zwischen all dem zersplitterten Glas, den umgekippten Vitrinen und auf den Boden verstreute Buddhafiguren und Touristenkitsch reglose Gestalten liegen. Der Fuß des Beins steckte in einem schwarzen Lackschuh. Der weiße Kniestrumpf war von keinem Spritzer Blut getroffen.
    Sonst – Blut, wo sie hinblickte … Blut auf Seidenroben und Nylonjacken. Zerrissene, gekrümmte, zerfetzte und sehr stille Leichen.
    Damals war sie mit Paul, aus Djakarta kommend, kurz vor Mittag in Colombo gelandet. Die Plastikbombe irgendeiner Tamilen-Terrororganisation war kurz vor der Ankunft gezündet worden. Auch der Attentäter lag unter den Leichen – oder das, was von ihm übriggeblieben war.
    Sie aber konnte sich nicht bewegen. Das war das schlimmste. In dem Horrordurcheinander aufgeregter Helfer stand sie wie aus Stein gehauen. Bis Paul Brückner sie einfach auf die Arme nahm und hinaus zu einem Taxi trug.
    Seit diesem Tag war Anja nicht mehr geflogen. Sie blieb in Heidelberg. Und alle Angebote, die Paul ihr machte, so verlockend sie auch sein mochten, interessierten sie nicht. Nicht, weil sie um sich selbst Angst hatte. Aber ihrem Kind konnte etwas passieren. Anja glaubte, schwanger zu sein. Der Arzt sagte ihr, daß sie sich geirrt habe.
    Erst als mit Paul alles zu Ende war, bestieg sie wieder eine Maschine. Zusammen mit Iris nahm sie den Condor-Flug nach Mallorca.
    Iris zerrte an ihrer Jeansjacke. »Menschenskind, Mädel! Was ist bloß los mit dir?«
    »Entschuldige …«
    »Was heißt ›entschuldige‹? – wir sind aufgerufen! Wir kommen endlich weg.«
    Mit gesenktem Kopf, die Schultern eingezogen, mechanisch wie ein Automat folgte sie Iris zu der Rolltreppe, die zu den Flugsteigen führte.

17. September , Falcon-Air-Flug 117 , Ortszeit: 11 Uhr 05
    Der ganze verdammte Zirkus konnte die Züge eines Pokerspiels bekommen. Und Kapitän Walter Stutz haßte Poker. Mit Zufällen würde er sich nicht rumschlagen. Die wichtigste Tatsache blieb für ihn, daß Palma den Betrieb aufgenommen hatte. Allerdings nur für startende Maschinen. Aber das würde – mußte – sich ändern. Wieso denn nicht? Wieso sollte er sich verrückt machen lassen? Hatte er in den zwanzig Jahren Fliegerei nicht genug knifflige Situationen überstanden?
    Chefstewardeß Lucette Bühler steckte den graumelierten Pagenkopf ins Cockpit der MD-80. Das Mittagessen in der Kabine wurde abgeräumt, Kaffee und Tee serviert.
    »Wie ist das mit euch? Wollt ihr 'ne Tasse?«
    Lucette Bühler konnte sich die Vertraulichkeit leisten. Sie gehörte zu jener Sorte unbeugsamer Luftladys, die sich ein Leben mit den beiden großen K's – Küche und Kinder – nicht vorstellen konnten. Als es für sie bei der Swissair aus Altersgründen vorbei war, ging sie in den Aushilfsdienst und vertrat jüngere Kolleginnen. Als auch das nicht mehr klappte, war Walter Stutz mit ihr zum Personalchef der neugegründeten Falcon Air gezogen: Eine Bessere können wir überhaupt nicht kriegen! Vielleicht hat sie ein paar graue Haare, aber unter jedem Fingernagel zehnmal mehr Erfahrung als der ganze Stall. Und das stimmte. Schon mit der alten Coronado war sie Langstrecken geflogen. Wie er …
    Stutz blickte nachdenklich über die sonnenbetupfte, sahneweiße Wolkendecke bis zum Horizont. Nichts Auffallendes. Gar nichts. Mein Gott, die alten Coronado-Tage …
    Und was war von den stolzen Swissair-Maschinen geblieben? Wie verendete Dinosaurier lagen sie am Flugplatzrand von Son San Juán herum. Ein Schrotthaufen von verbeultem, mit Staub, Dreck und Sand bedecktem Aluminium, ausgeschlachtete Wracks mit der überpinselten Aufschrift Spantax. Die Spantax hatte die Coronado-Flotte damals übernommen …
    »Du bleibst doch eine Woche auf der Insel, Walter?« hörte er Lucette. »Kannst du mir nicht eine von diesen Kitsch-Tischdecken mitbringen? Meine Schwiegermutter ist ganz verrückt danach. Sie hat am nächsten Wochenende Geburtstag.«
    »Wird gemacht. Wie sieht's in der Kabine aus?«
    »Na, wie schon …«
    Noch in Kloten hatte Walter Stutz einen Blick auf die Schar seiner Passagiere geworfen: Sie
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