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Maxwell 02 - Nur du kannst sie verstehen

Maxwell 02 - Nur du kannst sie verstehen

Titel: Maxwell 02 - Nur du kannst sie verstehen
Autoren: Terry Pratchett
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dem sein?«
    »War der für irgendwas berühmt?«
    Einen kleinen Moment wandte Opa den Blick vom Bildschirm und machte den Eindruck, als starrte er in die Vergangenheit.
    »Er hatte einen Laden mit Scherzartikeln in der Alma Street, wo jetzt das neue Parkhaus steht. Dort konnte man Stinkbomben und Juckpulver und so was kaufen. Und er hat Zaubertricks auf Kindergeburtstagen vorgeführt, als deine Mutter noch klein war.«
    »War er ein berühmter Mann?«
    »Alle Kinder kannten ihn. Er war der einzige weit und breit, der auf Kindergeburtstagen aufgetreten ist, weißt du? Sie kannten alle seine Tricks. Sie haben immer laut gerufen: ›Es ist in deiner Tasche!‹ Alma Street. Und Paradise Street, die gab es auch. Und Balaclava Terrace. Da bin ich geboren. Nummer 12. Balaclava Terrace. Alles unter dem Parkhaus jetzt. O mein Gott… der wird gleich vom Dach fallen…«
    »Dann war er also nicht richtig berühmt. Nicht
wirklich
berühmt.«
    »Alle Kinder kannten ihn. Kriegsgefangener in Deutschland war er. Aber er ist entkommen. Und er hat geheiratet… Ethel Plover, so hieß sie. Hatten nie Kinder. Hat Zaubertricks gemacht und sich entfesselt. Immer hat er sich von irgendwelchen Fesseln befreit.«
    »Er hatte eine Nelke im Knopfloch«, sagte Johnny.
    »Richtig! Jeden Tag. Ich habe ihn nie ohne gesehen. Er war immer sehr schick. Ein Zauberer. Ich hab ihn seit Jahren nicht mehr gesehen!«
    »Opa?«
    »Jetzt ist hier alles anders. Ich erkenne fast nichts mehr, wenn ich in die Stadt gehe. Jemand hat mir erzählt, sie haben die alte Stiefelfabrik abgerissen.«
    »Erinnerst du dich an das alte Transistorradio?«
    »Was für ein Transistorradio?«
    »Das, was du hast.«
    »Was ist damit?«
    »Du hast gesagt, es knistert zu doll und ist nicht laut genug?«
    »Das stimmt.«
    »Kann ich es haben?«
    »Ich dachte, du hättest einen von diesen Ghetto-Blastern?«
    »Es ist… für ein paar Freunde.« Johnny zögerte. Er war von Natur aus ein ehrlicher Mensch, nicht zuletzt, weil Lügen immer so furchtbar kompliziert war. »Sie sind ziemlich alt«, fügte er hinzu. »Und ein bißchen einsam.«
    »Oh, na schön. Du mußt aber neue Batterien reintun, die alten sind ausgelaufen.«
    »Ich hab noch ein paar Batterien.«
    »Heutzutage bekommt man keine guten Radiogeräte mehr. Als ich noch ein Junge war, gab es noch richtige Radiowellen. Das gibt’s heute nicht mehr. Haha! Da liegt er – schau, mitten durchs Eis –!«
     
    Johnny ging vor dem Frühstück zum Friedhof hinüber. Die Tore waren verschlossen, aber da die Mauer stellenweise eingestürzt war, machte das keinen großen Unterschied.
    Er hatte das Radio in eine Plastiktüte gepackt und ein paar neue Batterien hineingetan, nachdem er den chemischen Brei herausgekratzt hatte, den die alten hinterlassen hatten.
    Der Friedhof war vollkommen leer. Keine Menschenseele zu sehen, weder eine lebende noch eine tote. Aber die Stille war da, die große,
leere
Stille. Wenn Ohren irgendein Geräusch machen könnten, dann würden sie wie diese Stille klingen.
    Johnny versuchte, sie zu füllen.
    »Äh«, sagte er. »Ist jemand da?«
    Ein Fuchs sprang hinter einem Grabstein hervor und huschte ins Gebüsch.
    »Hallo? Ich bin’s.«
    Die Abwesenheit der Toten war beängstigender, als sie leibhaftig vor sich zu sehen, wenn man in diesem Fall von Leib sprechen konnte.
    »Ich hab hier ein Radio mitgebracht. Es ist für euch wahrscheinlich einfacher zu benutzen als Zeitungen. Äh. Ihr müßt nur an den Knöpfen drehen. Äh. Ich verstecke es einfach hinter Mr. Vicentis Grabstein, okay? Dann könnt ihr rausfinden, was so passiert.«
    Er hustete.
    »Ich… ich hab letzte Nacht ein bißchen nachgedacht, und… und ich dachte, vielleicht, wenn die Leute wüßten, was für… berühmte… Menschen hier liegen, dann würden sie ihre Finger davon lassen. Ich weiß, es ist keine besonders gute Idee«, sagte er verzweifelt, »aber was Besseres ist mir noch nicht eingefallen. Ich werde eine Liste mit Namen machen. Wenn euch das nicht stört.«
    Er hatte gehofft, daß Mr. Vicenti da wäre. Er mochte ihn. Vielleicht weil er noch nicht so lange tot war wie die anderen. Er wirkte freundlicher. Weniger steif. Johnny ging von einem Grabstein zum anderen und schrieb sich die Namen auf. Einige der älteren Steine waren reich verziert mit fetten Engelsköpfen. Aber auf einem waren zwei Fußballschuhe abgebildet. Johnny unterstrich den Namen in seinem Notizblock:
     
    Stanley »Falschrum« Roundway
    1892–1936
    Der
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