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Matzbachs Nabel

Matzbachs Nabel

Titel: Matzbachs Nabel
Autoren: Gisbert Haefs
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nieder.
    »Hau ab.« Es war nur ein qualvolles Hauchen.
    »Ich schlepp dich.«
    Bergner zeigte die Zähne und nahm für Sekundenbruchteile die linke Hand vom Bauch. Blut spritzte hoch, bis er die genaue Stelle wieder gefunden hatte.
    »Aorta, wahrscheinlich.«
    Matzbach biß auf die Zähne. Drüben wurde wieder geschossen; das Schott dröhnte, einige Projektile peitschten durch den Durchbruch. Er reckte den Arm, hielt die Uzi ins Loch und feuerte blindlings.
    Bergner tastete nach dem Rucksack; mit zuckenden Fingern kratzte er an einem der Knöpfe seines Zündsenders.
    »So long«, sagte er. Es klang fast normal.
    »Scheiße«, sagte Matzbach.
    »Don’t worry, be happy.« Bergner verdrehte die Augen.
    Matzbach kroch vom Loch zur Seite, sprang auf und rannte. Etwas in ihm kreischte und heulte; etwas anderes registrierte, daß der Gang fast dunkel war und daß Rau III eben in einer Nische zu verschwinden schien.
    Matzbach duckte sich in den kleinen Raum am Fuß der Treppe, die aus Osiris’ Haus zum Gang hinunterführte. Er roch Rauch, hustete, sah eine dunkle Flüssigkeit auf den unteren Stufen. Im Gang erfolgte eine weitere Detonation. Einen Augenblick lang schloß Matzbach die Augen, legte die Finger an die rechte Schläfe; dann hastete er treppauf.
    Die Behelfstür aus Holz zwischen Treppe und Keller war entfernt, der Keller voller Rauchwolken. Von oben drückte eine unerträgliche Hitzeschicht. Irgendwo schrie jemand, es war eine Männerstimme. Matzbach registrierte, daß sein Bauch schmerzte, als ob jemand mit heißen Eisen darin herumwühlte, dann vergaß er alles für die nächsten Sekunden und rannte den Kellergang entlang. Er wußte, er erinnerte sich undeutlich, irgendwo gab es einen Ausgang zum freien Gelände hinterm Haus, zum Garten, zum Schuppen.
    Er fand die Tür; sie stand offen. Auf der Kellertreppe lagen qualmende Holzreste; von oben regnete es Feuer und Asche. Blind, würgend, brüllend vor Schmerzen turnte Matzbachdie Treppe hinauf. Etwas Heißes traf ihn am Kopf, dann war er oben, frei, gerettet, fort vom Haus.
    Er taumelte, stürzte, drehte sich im Fallen um. Das schöne Haus von Friedrich Schumann alias Osiris K, mit allen Büchern und Möbeln und Spielgeräten und Erinnerungen, stand in Brand, soweit es überhaupt noch stand. Er starrte in die Glut, bis ihn der brennende Bauch in die unmittelbare Gegenwart zurückholte.
    Mühsam kniete er. Mühsam wandte er sich vom Haus ab, mühsam richtete er die Augen auf die Welt. Die junge Nacht schmolz in den Flammen.
    Yü lag nicht weit entfernt, völlig ausgepumpt, von Blut besudelt, blickte ihn an, mit einem schwachen, schrägen Lächeln, deutete auf Matzbachs Bauch, schloß die Augen.
    Neben ihm lag Jorinde. Ihr linkes Hosenbein war tiefrot, das rechte schmutzig blau, angesengt. Matzbach kroch auf Knien zu ihr.
    Jorindes Gesicht war fahl im Feuerschein. Sie öffnete die Augen, blinzelte, lächelte. »Liebster«, sagte sie. Dann sagte sie nichts mehr.
    Rau III stand ein bißchen lädiert, ansonsten unversehrt ein paar Schritte entfernt. Matzbach schaute ihn an, wie durch flackernde Schlieren, sah Dittmer, der langsam auf Rau III zukam, sah das Lächeln auf dem Gesicht des Doubles oder Triples gefrieren, als Dittmer den Arm anwinkelte und feuerte. Zweimal, dreimal. Rau III machte ein paar taumelnde Schritte rückwärts und brach zusammen, riß im Fallen Matzbach mit sich. Seine Schulter traf Matzbachs Bauch. Jemand kreischte das Dunkel herbei.

25. Kapitel
    Er öffnete die Augen. Alles war weiß, wie an einem hellen Vormittag in einem hellen Raum. Alles tat weh. Er lag auf dem Rücken. Rechts war es ein wenig dunkler; ohne auf die Schmerzen zu achten, drehte er sich auf die Seite, langsam, mühevoll.
    Er lag auf Yüs Bettrolle. Der Chinese, ein paar Meter entfernt, im Lotossitz, auf dem nackten Boden, blickte ihn an, reglos, mit dunklen Augen. Matzbach starrte zurück, ohne zu blinzeln.
    Alles tat weh, der Kopf, der Leib, die Beine, aber alles war nichts, gemessen an den Gedanken. Kreischende, sengende Räder mit Zackenrand. Etwas Unpersönliches registrierte, daß Yüs Brust sich langsam hob und senkte, und schätzte, daß der Chinese vielleicht zehnmal in der Minute atmete.
    Die Feuerräder wurden langsamer, schmolzen. Als Yü etwa hundertmal geatmet hatte, ohne den Blick von Matzbachs Augen zu wenden, waren die Räder zu glimmenden Kettengliedern geworden. Beim zweihundertsten Atemzug war die Kette geschlossen und vollendet. Matzbach löste sich von
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