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Matzbachs Nabel

Matzbachs Nabel

Titel: Matzbachs Nabel
Autoren: Gisbert Haefs
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früh schon grinsen?«
    Matzbach schnalzte. »Des Bildes Anmut«, sagte er heiser. »Apart und revolutionär, wiewohl seitenverkehrt. Dein Haar als phrygischer Kopfputz – es fehlt die Fahne.«
    Jorinde schloß die Augen. »O Mann.«
    »Zutreffend. Und bevor ob deiner Unruh mein Pendel ausschlägt, geh ich lieber ins Aushaus.« Er öffnete die Tür.
    »Herzchen.« Jorinde blinzelte. »Aber doch nicht so.«
    Matzbach blickte an sich hinunter. »Wie?«
    »Nackt.«
    »Nein?«
    »Nein.«
    »Doch.«
    »Ja ?«
    »Ich betrachte es nicht als vordringliche Aufgabe, optische Gefährdungen von meinen Mitmenschen abzuwenden. Wer das Risiko eingeht, zu mir hinzusehen, der ist selber schuld.«
    »O Mann.«
    Matzbach nickte und trat in den Sonnenschein hinaus. Die mobile Bauarbeiter-Toilette – grünes Plastikzeug mit einem aufgemalten roten Herzchen, darüber Wellblech – stand einige Meter rechts der Tür, im Halbschatten des modernen Anbaus. Nach vollzogener Entwässerung watschelte Baltasar zur Viehtränke vor dem alten Hausteil, zog am kreischenden Schwengel der Pumpe, schnitt eine schmerzliche Grimasse und hielt den Kopf unter das kalte Wasser. In einem Anflug von Heroismus klomm er prustend und schnaubend in den Trog und ließ sich zur Gänze überspülen.
    Als er den steinernen Behälter verließ und sich schüttelte, bemerkte er die Signalleine, die wahrzunehmen seine Augenvorher nicht imstande gewesen waren: Zwischen der Pumpe und der Antenne des zerbeulten grünen Volvo-Kombi spannten sich drei verknotete Nylonstrümpfe; in einem der Knoten steckte ein zusammengerolltes Stück Papier.
    »Auch noch Inkas.« Mit nasser Pfote nestelte er an den Knoten.
    »Was?« sagte Jorinde; die Tür war nur angelehnt.
    »Post von Atahualpa. Ein Quipu.«
    »O Mann.«
    Matzbach schlang sich die Nylonstrümpfe um Hals und Schultern. Sonnenstrahlen leckten an den Tropfen auf seiner Haut und in seinem Haar. Er entrollte die Botschaft. WENN DU ZU ENDE GEPOFT HAST, KOMM ZUM GALGENBERG WG . INTERESSANTE LEICHEN – HEINRICH
    Baltasar gluckste und ging zurück ins Haus. Jorinde saß noch immer malerisch zu Füßen des Seraph. Sie streckte die Hand aus, nahm den Zettel, las und rümpfte die Nase.
    »Hat er wieder wen verbuddelt?«
    Matzbach zuckte mit den Schultern. »Macht er doch häufiger; dafür ist er ja Privatbestatter, oder?«
    Sie seufzte, legte den Zettel auf den Rand des Trogs, unter den Wecker, und rutschte tiefer zwischen Decken und Laken. »Machst du Kaffee, herrlicher Mann?«
    Matzbach blickte abermals an sich hinunter. »Ja. Nun ja.« Jorinde verfolgte ihn mit ihrem schrägen Lächeln. Er ging zum riesigen Kamin an der rechten Kopfseite des Raums, nahm das Kistchen vom Bord darüber, holte eine Zigarre heraus, steckte sie hinter sein linkes Ohr, klemmte das Streichholzdöschen zwischen die Zähne, nahm den Korb mit Holzscheiten und Tannenzapfen in die linke Hand und wanderte zur anderen Kopfseite, hinter der der moderne Anbau begann. Dort stand ein alter Herd, von dem Röhren zu vierHeizgerippen an den beiden langen Wänden führten. Auf halbem Weg, als er das Fußende des Betts passierte, hielt Jorinde ihn auf.
    »Moment, Herzchen«, sagte sie kopfschüttelnd. »So geht das aber nicht.«
    Sie kniete, während er sich auf ihre Gesten hin vorbeugte.
    Sie hauchte ihm einen Kuß auf die Nase und band die drapierten Nylonstrümpfe zu einer Schleife. »Jetzt kannst du Kaffee kochen. Woher stammen übrigens die Strümpfe?«
    Matzbach hob die Schultern und nuschelte etwas um die Streichholzdose herum. Er spuckte die Schachtel auf die Herdplatte. »Heinrich nimmt so was als Briefumschlag, offenbar.«
    Die Hexe verdrehte die Augen und rollte sich wieder in die Decken.
    Aus den Proviantkartons fischte Baltasar Knäuel aus Zeitungspapier, warf sie in den Herd, streute Tannenzapfen darüber, legte Holz darauf und riß ein Streichholz an. Immer noch unbekleidet ging er wieder zur Pumpe vor dem Haus, füllte die antike Blechkanne mit Wasser, brachte sie pfeifend zum Herd zurück, stellte sie auf die Platte und zündete sich die Zigarre an. Nach ein paar mächtigen Vorfrühstückszügen legte er sie in den mitgebrachten irdenen Aschenbecher zu Haupte der Hexe.
    »Willst du dich nicht mal anziehen?« sagte Jorinde.
    »Warum? Gefall ich dir nicht mehr?«
    »Ein Jegliches hat seine Zeit, o Matzbach. Es ist nicht zu leugnen, daß der Anblick mich gelegentlich erschauern läßt, aber jetzt ist nur Schaudern angesagt.«
    Er giggelte schrill und ging
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