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Mattuschkes Versuchung

Mattuschkes Versuchung

Titel: Mattuschkes Versuchung
Autoren: Rolf Ersfeld
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Sprachtempo. »Übermorgen geht’s los, ich verspreche mir große Fortschritte. So«, meinte er sarkastisch und zeigte auf sein linkes Bein, »kann ich an den deutschen Meisterschaften jedenfalls nicht teilnehmen.«
    Louise war froh, dass er es so positiv nahm und sagte es ihm. »Resignation ist der Egoismus der Schwachen«, lächelte er, »das meinte jedenfalls Fußballtrainer Jörg Berger, und schwach möchte ich nicht sein, schon gar nicht in eurer Gegenwart. Ich darf klagen, aber nicht jammern. Hano, mein Lebensretter, war hier, er wird mich zur Klinik fahren mit seinem neuen Flitzer, aber keinem paprikaroten.« Er knipste Louise ein Auge.
    »Auf gar keinen Fall«, riefen beide Frauen wie aus einem Mund. Das Blut war ihnen förmlich aus dem Gesicht gewichen. »Nein, das kommt überhaupt nicht infrage, Ehrensache, dass ich das mache oder wir«, stotterte Louise.
    »Aber das ist unnötig, du musst dir doch nicht wieder Urlaub nehmen, Hano hat frei und kann mir mit seinen geübten Griffen besser beim Gehen helfen.« Als er ihren entgeisterten Blick sah, meinte er einlenkend: »Es ist natürlich schön, wenn sich gleich drei darum reißen. Also, wenn du nicht davon abzubringen bist, fahre ich lieber mit euch, ich wollte nur Zeit sparen.«
    Die Klinik war nicht allzu weit entfernt, in weniger als einer Stunde hatten sie das Ziel erreicht. Er versprach sich viel von den konzentrierten Übungen zu Wasser, zu Lande und zu Munde, wie er scherzhaft meinte. Sie warteten, bis man ihm sein Zimmer anwies und trugen die Koffer hinauf.
    »Alles Gute Paul und viel Erfolg, ich besuche dich so bald als möglich.« Sie hielt ihn lange umarmt.
    »Wahrscheinlich bin ich nach den Übungen so platt, dass du mich nur schlafend antriffst.«
    »Dann bekommst du halt nur einen Gute Nacht Kuss«, meinte sie und sandte ihm einen liebevoll besorgten Blick. Er küsste sie. »Du machst mir so viel Mut Louise, allein für dich und die Aussicht, mit dir zu leben, lohnen sich alle Anstrengungen, das ist die größte Motivation.«
    Sie setzte Gila ab und fuhr anschließend zu ihrer Mutter. Wie durch ein Wunder hatte sie bisher nichts an Paul auszusetzen. Ob es so bleiben würde? Sie erkundigte sich nach seinem Befinden. Louise berichtete von den Fortschritten und der Möglichkeit bleibender Lähmungen der linken Seite.
    »Ein Glück, dass du nicht verheiratet bist, so kannst du dich nach einer Anstands-Weile diskret zurückziehen, dann hat’s halt nicht gepasst. Glaub deiner Mutter, Kind.«
    Mutter blieb sich auch jetzt treu. Louise war in Rage: »Nenn mich nie wieder Kind, schließlich bin ich eine Erwachsene von 27 Jahren, zweitens habe ich lange aufgehört, deinen Ratschlägen zu glauben und drittens liebe ich Paul, falls dir der Begriff überhaupt etwas sagen sollte. Mit ihm zusammen will ich durchs Leben gehen, und wenn das nicht möglich ist, werden wir eben kriechen.« In ihrem Zorn buchstabierte sie das letzte Wort noch einmal:
    »Kriechen.«
    Die ganze Anspannung und Wut der letzen Wochen brach aus ihr heraus, ihre Mutter bekam einen großen Teil dessen mit, was sie Mattuschke entgegen schleudern wollte, aus taktischen Gründen aber nicht konnte. Sie markierte einen Herzanfall mit gekünstelter Atemnot. Wie sehr hasste Louise diese Schmierenkomödie, die sie seit Kindesbeinen miterleben musste, immer dann, wenn Mutter demonstrieren wollte, beleidigt oder von schlimmer Kunde betroffen zu sein. Jeder verhauenen Klassenarbeit in früheren Jahren war diese Nummer gefolgt, mit theatralischem Wehklagen über das drohende verpfuschte Leben. Sie verließ den Raum, ohne sich um den nahenden Theatertod zu kümmern. Flugs stellte Frau Leblanc das Schauspiel ein, nachdem das Publikum abhanden gekommen war. Als sich Louise von ihr verabschiedete, drückte sie ihr beleidigt eine Tüte Plätzchen in die Hand. »Von deiner Patentante, du isst sie doch so gerne und dein netter Vermieter auch, … das wäre ein Mann wie nach Maß.«
    »Was würdest du dich wundern?«, war ihr trauriger Kommentar.
    Sie fuhr zu ihrer Wohnung, sie hatte nicht genug Kleidung mitgenommen in Pauls kleines Appartement. Als sie in den Hof einbog, kam Mattuschke gerade an ihr vorbei. Er ließ die Fensterscheibe heruntergleiten.
    »Ich bin in einer Stunde wieder zurück. Können wir dann miteinander sprechen, bitte?«
    Es passte ihr überhaupt nicht, aber sie sagte: »Ja.« Irgendwie fiel es ihr trotz aller Ereignisse schwer, ihm diese Bitte abzuschlagen.
    Sie nutzte die
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