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Mattuschkes Versuchung

Mattuschkes Versuchung

Titel: Mattuschkes Versuchung
Autoren: Rolf Ersfeld
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Kräfte, mit denen man vorher nicht rechnen kann, dachte sie und fühlte sich um Jahre ihrer Entwicklung gereift.

»Zimmerservice«, Mattuschke brachte das Frühstück, er vermutete, dass sie noch im Bett lag. Sie hatte die Kraft, seinem Blick standzuhalten, das makabre Versteckspiel mitzuspielen. Ihre Angst war wie weggefegt.
    Diesmal fuhr er sie selbst zur Arbeit; im Institut war man entsetzt über den medizinischen Bericht. Alice sah sie kampfeslustig an, verkniff sich aber bissige Bemerkungen angesichts der tragischen Umstände. Louise verließ das Gebäude durch einen Hinterausgang, lief zu Pauls Wohnung, nahm seine Autoschlüssel und fuhr ins Krankenhaus. Jeden Tag saß sie an seinem Bett, hielt die kühlen Hände und kämpfte sich durch Wellen größter Hoffnung und tiefster Mutlosigkeit.
    Als Paul zu sich kam, musste er erst begreifen, wo er war und was ihm fehlte. Aus voller Vitalität plötzlich mit Lähmungen, verlorener Sprache und Erinnerungslücken ans Bett gefesselt zu sein, war eine grausame, erschreckende Erkenntnis, die seine Augen mit Tränen füllte. Er konnte sie nicht zurückhalten. Wie würde sein künftiges Leben verlaufen? Bisher vollzog sich alles glatt und problemlos. Persönliche Katastrophen waren so fern und unwirklich. Er spürte Verzweiflung und lähmende Angst. Sein nächster Gedanke galt Louise. Wäre es ihr zuzumuten, bei einem Wrack zu bleiben? Er würde alle Anstrengungen auf sich nehmen, um wieder der funktionierende Mensch von früher zu werden, aber wäre es nur ein vergeblicher Kraftakt, eine aussichtslose Hoffnung? Wie schwach und hilflos ist man in den Krallen des unwägbaren Schicksals. Zunächst musste er erfahren, was mit ihm geschehen war. Während die Krankengymnastin ihn routiniert bewegte, schlief er erschöpft ein, zu gerne hätte er sie gefragt.
    Als er die Augen wieder öffnete, saß Louise neben ihm. Nur verschwommen nahm er sie wahr, wo befand sich seine Brille? Dankbare Ergriffenheit erfasste ihn. Er war wach, gottseidank, sie bemerkte das Leuchten in seinen Augen, als er sie sah. Das Sprechen wollte nicht gelingen, die linke Seite war gelähmt. Sie vermochte, ihn zu trösten, gab ihm Hoffnung und Vertrauen, er spürte ihre Liebe. Sie war stolz, ihm Stärke und Zuversicht zeigen zu können.
    Die Polizei bestätigte die Vermutung Dr. Seyfrieds, jemand hatte ihn mit einem Elektroschocker attackiert, keinem handelsüblichen, sondern einem offenbar selbst konstruierten, mit stärkerer Elektrizität. Hano habe Pauls Tempo nicht folgen können und sei erst eingetroffen, als er schon am Boden lag. Den oder die Angreifer habe er nicht mehr gesehen. Vom Arzt erhielt sie positivere Nachrichten, der Herzrhythmus sei stabilisiert, dauerhafter Schaden dort nicht zu befürchten. Offen blieben nach wie vor die Folgen des Schlaganfalls.
    An diesem Abend übernachtete sie in Pauls Wohnung. Sie schlüpfte in seinen viel zu weiten Pyjama, roch den zurückgebliebenen Duft, informierte Gila und seine Eltern. Pauls Zustand besserte sich langsam, das Sprechen kam in Gang, wenn auch noch holprig, er konnte aufstehen und unkontrollierte Schritte gehen. Das gab Mut und Louise weitere Kraftschübe. Sie würde für ihn, für ihr Lebensglück, kämpfen, war nicht mehr die gebrochene, ahnungslos Fragende.
    Nach zahlreichen Anrufen der Clique wollte sie die Freunde persönlich über Pauls Zustand informieren, was ihr nach den guten Nachrichten leichter fiel. Es war wohltuend, ihre Anteilnahme zu erfahren, vor allem Eric ließ sie sein großes Mitgefühl spüren, Leila noch immer deutliche Zurückhaltung. Hano gab sich zerknirscht. »Dass ich ausgerechnet da schlapp machen musste.« In diesem Stadium der Entwicklung sah sie keinen Grund, den beabsichtigten Umzug zu verschweigen, bei ihren Freunden hatte sie ohnehin nichts zu befürchten. Deshalb bat sie Rick um den Gefallen, ihr mit dem Lieferwagen ein paar Gardinenstangen abzuholen und zur neuen Adresse zu fahren. Die Uhrzeit stimmten sie ab, mit Pauls Wagen würde sie pünktlich dort sein.
    Auf Rick war Verlass, er trug ihr die Last hinauf, sah sich kurz um, die Wohnung gefiel ihm.
    »Vor allem von der Lage viel günstiger, ich bin froh, dass du Abstand von Mattuschke bekommst, irgendwie war er mir nie geheuer. Und die Angriffe auf Paul, wenn die mal nicht auf sein Konto gehen? Ich muss wieder fahren.«
    »Danke Rick, du hast mir sehr geholfen.«
    Als sie die Wohnung abschloss, stand Heinz plötzlich hinter ihr. Sie erschrak, als wäre es
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