Mattuschkes Versuchung
dachte Paul, deshalb ist er so nervös. Die ersten hundert Meter unterhielten sie sich noch miteinander, dann konzentrierte sich jeder darauf, seinen Rhythmus zu finden und den Atem zu kontrollieren, es war ein schwüler Abend, der Schweiß floss schon nach einem Kilometer in Strömen.
»Ich könnte einen Scheibenwischer auf der Stirn vertragen«, meinte Paul keuchend.
»Noch lieber wäre mir Veronika mit dem Schweißtuch«, lachte Hano. Der Geruch von feuchter Erde, verrottendem Laub und Pilzen drang ihnen in die Nasen. Nach mehr als einem Kilometer hatte Paul einen kleinen Vorsprung herausgelaufen und hörte Hanos schweres Atmen hinter sich, der sich an seine Fersen geheftet hatte. Sie kamen an die Abzweigung, an der er damals die Waffen streckte und aufgab. Auch diesmal fiel er zurück und stieg an derselben Stelle aus. Paul grinste: »Große Klappe, aber keine Puste, das lobe ich mir«, und blies den Schweiß mit vorgestülpter Unterlippe wie Sprühnebel vom Gesicht. Noch einen Kilometer bis zum Wendepunkt, er wusste nichts von der Abkürzung, die es Hano ermöglichte, ihn weitaus schneller zu erreichen.
Zwei Läufer kamen ihm entgegen, noch weit entfernt, aber irgendetwas an ihrem Laufstil war eigenartig. Es sah aus, als wüssten sie nicht, ob sie gehen oder laufen sollten. Beim Näherkommen bemerkte er, dass sie Wanderschuhe trugen. Als sie sich begegneten, grüßten sie, einer kam ins Straucheln, stieß mit ihm zusammen, so dass er aus dem Rhythmus kam. Im gleichen Augenblick spürte er einen grellen anhaltenden Schmerz in der Brust, sein Atem stockte, die Muskeln versagten, er stürzte. Seine Brille landete auf dem Boden und zerbrach. Die Männer knieten eine Weile über ihm, verschwanden dann, ohne Hilfe zu leisten in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Wenig später erreichte Hano die Stelle, an der Paul lag. Er drehte ihn auf den Rücken, er wirkte leblos. Erschrocken kramte er sein Handy hervor und setzte den Notruf ab. »Kreislaufversagen beim Waldlauf.« Er gab die Wegbeschreibung durch und begann mit der Wiederbelebung.
Louise erfuhr erst am frühen Morgen davon, Hano rief sie aus dem Krankenhaus an, schilderte wortreich seine Wiederbelebungsbemühungen und die Anstrengungen der Ärzte, Pauls Leben zu erhalten.
»Er liegt auf der Intensivstation, noch sind die Rhythmusstörungen nicht unter Kontrolle, wir tun alles«, er sagte es so, als sei er der leitende Kardiologe und die anderen subalterne Kräfte.
Sie sank in sich zusammen, gerade hatte sie die schlimmsten Aufregungen ihres Lebens überstanden, da wurde sie von neuen geschüttelt, sie drohte, den liebsten Menschen zu verlieren. Welch ein Glück, dass er nicht alleine laufen war und Hano mit seinen medizinischen Kenntnissen helfen konnte. Der Quasselstrippe war sie unendlich dankbar. Schockiert rief sie Gila an: »Du kannst dich bedanken für eine Freundin, die dir nur Trouble bereitet.«
Gila spürte ihre Aufregung und den Ernst der Lage. »Du kannst in diesem Zustand keinesfalls selbst fahren. Ich hole dich direkt ab und bringe dich zur Klinik, muss aber gleich wieder weg.«
Louise konnte nur einen kurzen Blick auf Paul werfen, er war ohne Bewusstsein, hatte gefährliche Rhythmusstörungen, die man zu stabilisieren suchte und eine Platzwunde vom Sturz auf den Boden.
Lange musste sie auf ein Gespräch mit dem Arzt warten.
»Seyfried, sind Sie eine Angehörige?«
»Louise Leblanc, ich bin seine Lebensgefährtin, wir werden bald heiraten«, sagte sie zur Bekräftigung und verspürte plötzlich den heißen Wunsch danach.
»Wir haben es mit einer komplizierten Konstellation zu tun, Frau Leblanc.« Er zog sie am Arm fort in sein Zimmer, schloss die Tür und bat sie Platz zu nehmen.
»Bei Ihrem Partner sind durch die Einwirkung Herzrhythmusstörungen aufgetreten, in der Folge Vorhofflimmern mit anschließendem Gehirnschlag. Ersparen Sie mir die Erläuterung der medizinischen Zusammenhänge. In diesen Fällen extremer Herzbelastung oder -Schädigung ist das leider keine Seltenheit.«
Louise war schockiert, diese Diagnose zu hören.
»Ich bin total verwirrt Dr. Seyfried, dass dies Folgen einer leichten sportlichen Überanstrengung sein können.«
»Das sind sie keineswegs, auf Ihren Partner wurde höchstwahrscheinlich ein Anschlag verübt, wir mussten deshalb auch die Polizei informieren.«
»Ein Anschlag? Wieso denn Polizei? Sein Freund war doch dabei, was soll man ihm denn getan haben?«, fragte Louise erschrocken und völlig
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