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Matilda - das Mädchen aus dem Haus ohne Fenster

Matilda - das Mädchen aus dem Haus ohne Fenster

Titel: Matilda - das Mädchen aus dem Haus ohne Fenster
Autoren: Ann-Kathrin Kramer
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einfach alles. Da war ich sogar glücklich für hundert Euro, dabei hatte ich von Omi Elli doch nur fünf bekommen.
    Jetzt ist das irgendwie anders. Ich bin nicht glücklich. Kein bisschen glücklich. Vielleicht liegt es ja nur daran, dass ich hier blöd auf der Straße rumstehe und meine Zeit vertrödle. Ich sollte ganz schnell zum Kleinen Mann laufen und das Geld ausgeben!
    Dann kommt das Glück schon, und wenn das nächste Mal Eisteeklub ist, und ich mache meine Butterbrotdose auf …Milchschnitten und eingeschweißte Trinkpäckchen mit Strohhalmen und Yes-Törtchen sind da zum Beispiel drin, dann bin ich bestimmt glücklich. Glücklich für, sagen wir mal, 100   022 Euro! Das wird ganz toll werden. Ganz toll! Und der Benno, der kann mich dann mal. Der wird Augen machen wie ’ne Glotztüte! Ach, das wird herrlich. Herrlich wird das. Hm.
    Ob die Oma inzwischen wohl aufgewacht ist? Ob sie sich wohl wundert, weil ich nicht mehr da bin?
    Ich stehe jetzt vor dem Kiosk. Drinnen sehe ich den Kleinen Mann . Der ist ganz klein und hat einen Buckel. Er sortiert seine Zeitungen, und er pfeift dabei. Der sieht glücklich aus. Warum eigentlich? Ob die Oma schon was gemerkt hat? Ob sie überhaupt was merkt? Und wenn ja, komme ich dann ins Gefängnis? So schnell kann man einfach nicht denken. Oma, Kleiner Mann , Glück, Gefängnis, Geld, Milchschnitte, Benno, Karatekissen, Eisteeklub, Spucke, Schokolade, Armeleutekind … Mir wird wieder ganz schwindelig.
    Und dann wird mir schlecht. Und jetzt sag ich dir auch, warum mir schlecht wird: Ich will das nicht! Ich will kein Dieb sein! Ich will nur auch mal was Leckeres haben. Und ich will das ja auch teilen mit den anderen. Mit allen. (Nur mit Benno vielleicht nicht. Der ist einfach zu doof. Aber sonst will ich mit allen teilen.) Und jetzt sage ich dir noch was: Ich gehe nicht rein zum Kleinen Mann ! Ich kaufe keine Süßigkeiten. Nein, ich renne zurück. Ich renne zurück, und ich bete, dass meine Oma, die keiner leiden kann, noch immer schön schläft. Und ich bete, dass die Hintertür zum Hof noch auf ist, und ich bete auch, dass ich die fünf Euro wieder einfach so zurücklegen kann.
    So doll habe ich nicht mehr gebetet, seit mein großer Bruder sich den Arm gebrochen hat. Und da hat es schließlich auch was genutzt: Der Arm ist wieder zusammengewachsen. Und jetzt nutzt es auch etwas! Ich kann das Geld zurücklegen. Einfach so. Die Oma schläft heute besonders lang.
    Als sie wach wird, sitze ich wieder auf ihrem Karatesofa und schaue so in der Gegend herum, als ob nichts wäre. Als hätte ich nie vorm Kleinen Mann gestanden und fünf Euro in der Hand gehabt, die ich meiner Oma geklaut habe. So sitze ich auf ihrem Karatesofa.
    Wir spielen dann »Mensch ärgere dich nicht« noch zu Ende. Und ich lasse sie sogar gewinnen. Meine Oma. Und es geht mir eigentlich ganz gut. Obwohl ich verliere und obwohl die Sache mit dem Eisteeklub gelaufen ist. Und Oma geht es auch gut. Sie hat schon ewig nicht mehr gewonnen beim »Mensch ärgere dich nicht«, und sie freut sich mächtig. So habe ich sie, glaube ich, noch nie gesehen. Sie sieht richtig glücklich aus. Sogar richtig nett sieht sie aus.
    Und dann passiert etwas, das verstehe ich nicht. Das ist wahrscheinlich zu kompliziert für Kinder. Die glückliche Oma steht auf, kichert noch so ein bisschen, geht in den Flur und holt ihre Tasche. Da nimmt sie einen Fünfeuroschein raus. (Den, den ich vorhin beim Kleinen Mann in der Hand hatte. Das erkenne ich gut, weil der total verknittert ist.)

    Okay, sie hat’s gemerkt. Ich sitze auf dem Karatesofa und schnappe nach Luft. Ich weiß einfach nicht, was ich sagen soll. Jetzt wird Oma mit mir schimpfen oder vielleicht kriege ich auch gleich eine Backpfeife, und dann wird sie alles demPapa sagen, und dann kriege ich sicher eine Backpfeife. Und dann weiß jeder, dass ich ein Dieb bin, und dann muss ich ins Gefängnis, und der Benno wird sich kaputtlachen und ich … Oh Gottogottogott.
    In meinem Kopf dreht sich wieder alles, aber wie ich ja schon gesagt habe, passiert jetzt etwas, das verstehe ich nicht. Das ist wirklich zu kompliziert für Kinder. Die Oma kommt auf mich zu, den Schein zwischen ihren knubbeligen Fingern.
    Ich hab Angst, ich ducke mich, ich versuche, mir schnell eine Erklärung auszudenken. Mir fällt nichts ein, und da passiert es:
    Meine kichernde Oma drückt mir das Geld in die Hand. »Hier, für dich. Und denk nicht, ich hätte es nicht gemerkt!« Mir bleibt das Herz stehen.
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