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Matilda - das Mädchen aus dem Haus ohne Fenster

Matilda - das Mädchen aus dem Haus ohne Fenster

Titel: Matilda - das Mädchen aus dem Haus ohne Fenster
Autoren: Ann-Kathrin Kramer
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kein einziger Hase. Immer weiter laufe ich in den Wald hinein. Die Vögel singen und langsam wird es etwas wärmer.

    »Morgenstund hat Gold im Mund« – das sagt Mama manchmal, wenn ich morgens noch zu müde bin, um aufzustehen. So richtig habe ich das noch nie verstanden. Weil: Gold kann man doch nicht essen. Und ich bekomme langsam Hunger.
    Und dann geschieht etwas Wunderbares! Ich trete auf eine Lichtung und da … da ist das Paradies. Da muss der Osterhase wohnen. Ganz in der Nähe, denn hier ist alles voller kleiner brauner Haseneier.
    Ich fange an zu sammeln. Ich fange an zu essen. Gut, sie schmecken etwas wunderlich, aber so ist das mit Wundern. Sie sind wunderlich. Wie gut, dass ich so früh aufgestanden bin und noch niemand vor mir da war. Nur den Osterhasen, den sehe ich nicht. Der ist ja heute auch viel zu beschäftigt. Ist ja klar. Aber ich bin trotzdem sehr zufrieden und sammle mein Körbchen voll. Vielleicht gebe ich meinem Bruder sogar etwas davon ab. Die faule Socke liegt sicher noch in ihrem Schlafsack. Selber schuld. Satt, stolz und glücklich trete ich den Heimweg an.

    Als ich an unserer Feuerstelle ankomme, sitzen alle schon beim Frühstück. Sie schauen mir entgegen und … Haben die sich etwa Sorgen um mich gemacht?
    Mit großen Augen starren sie mich an. Oder wollen sie mir etwa mein Körbchen wegnehmen? Und dann beginnen sie zu lachen. Sie lachen und lachen und lachen und lachen. »He, du hast ja Scheiße am Mund«, grölt mein Bruder. Und dann lacht er wieder. Und lacht und lacht und lacht. Und meine Eltern auch. Und die Freunde von meinen Eltern auch. Und deren Freunde lachen auch. Sie nehmen mir mein Körbchen weg und geben mir Wasser zu trinken. Ich will aber kein Wasser, ich will mein Körbchen wiederhaben. »Hasenscheiße«, japst mein Bruder und bekommt vor Lachen kaum noch Luft. Na ja, dass mein Bruder blöde ist, das weiß ich schon lange. Aber meine Eltern sind eigentlich ganz okay und überhaupt. Das musste ich ihnen dann schon einmal sagen: »Scheiße sagt man nicht!!«
    Mein Körbchen habe ich an diesem Tag nicht wiederbekommen. Wir haben dann alle zusammen noch einmal Ostereier gesucht und auch einige gefunden. Aber meine geheime Lichtung, die habe ich keinem verraten. Ehrensache!

Ein Sonntag im Juni
    Sonntage sind grausam langweilig! Alle meine Freunde machen Ausflüge in den Zoo oder auf Sommerfeste. Aber meine Eltern, die schlafen. Einmal, als die Langeweile zu groß wird, schleiche ich mit einem genialen Plan ins Schlafzimmer. Mein Vater schnarcht so donnernd, dass ich beschließe, niemals in meinem Leben zu heiraten. Mag sein, dass meine Mutter darum nicht zu sehen ist. Sie hat sich unter dem Kissen versteckt und presst es im Schlaf fest auf ihre Ohren.
    Leise pirsche ich mich heran, ich hebe vorsichtig die Decke am Fußende hoch. Da liegen sie: die Füße meines Vaters. Mein Plan steht fest. Ich habe schließlich nicht ewig Zeit. Draußen ist bereits der schönste Sommertag, und außerdem habe ich Hunger. Bärenhunger!
    Mama hat gesagt, wenn ich noch einmal versuche, Frühstück zu machen, dann bekomme ich Stubenarrest, bis ich schwarz werde. Keine Ahnung, wieso. Ich habe es doch erst ein Mal versucht und die Spaghetti, die ich aus den Troddeln der Gardine gemacht habe, waren vorzüglich. Gut, die Soße war nicht so recht gelungen, aber Mama sagt immer: »Soße, das ist das Schwierigste, was eine Köchin zu bewerkstelligen hat.« Und Mamas Soßen schmecken nun wirklich auch nicht immer. Vor allem die mit Kapern. Die Kapern sehen nicht nur aus wie Möwenscheiße, sondern sie schmeckenauch so. Ehrenwort. Ich hab’s probiert, als wir mal an der Ostsee in Ferien waren. Aber das ist eine andere Geschichte.
    Ich hocke also am Fußende des Bettes. Der Bauch meines Vaters bebt unter lautem Schnarchen, und ich frage mich langsam, ob er überhaupt noch Luft bekommt.
    Das ist der Moment, in dem ich begreife: Mein Plan ist genial. Ich werde meinem Vater das Leben retten!
    Dazu hebe ich die Feder, die ich wohlweislich aus meiner Indianerhäuptlingshaube entfernt habe, und nähere mich langsam seinen bebenden Füßen. Zuerst trifft die Spitze den dicken Zeh … Der zuckt. Ich werde mutiger und bearbeite nun die ganze Fußfläche.

    Eine Weile lang geschieht nichts. Dann aber ist erst ein leises, dann ein sehr lautes Knurren zu hören, mein Vater schüttelt sich und mit einem Schwung richtet er sich in seinem Bett auf. Die Decke rutscht zur Seite, aber davon sehe ich nicht mehr viel.
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