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Massiv: Solange mein Herz schlägt

Massiv: Solange mein Herz schlägt

Titel: Massiv: Solange mein Herz schlägt
Autoren: Massiv mit Mariam Noori
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Loch in meinem Arm fängt gerade wieder an, mich zu peinigen.
    »Abgesehen davon, ist es nun einmal passiert, du wurdest angeschossen. Es ist nicht deine Schuld, man darf dich nicht von den Medien isolieren.« Ashrafs Asche löst sich von der Kippe und brennt sich in die Tagesdecke.
    »Ich weiß, nur noch mein Tod hätte mich berühmter machen können.«
    »Exakt, in den USA wären die Labels bei so einer Aktion in die Offensive und nicht Defensive gegangen.« Ashraf schnalzt mit der Zunge.
    »Ich soll den Gangster-Rapper und Prototyp-Kanaken verkörpern – das will Sony –, aber sobald sich Fiktion in Realität verwandelt, ziehen alle den Schwanz ein.«
    »Die haben nicht einmal einen Pressesprecher rausgeschickt. Das ist wirklich Ironie, Massiv. Ein Mann, ein Wort erscheint bald, während du selbst ein Mann bist, dem das Wort verboten wurde.« Ashraf zerdrückt seine Kippe auf der Nachttischkommode und geht.
    Nach dieser Geschichte waren zwei Dinge ruiniert: zum einen meine Glaubwürdigkeit als Rapper, zum anderen mein Verhältnis zu Sony. Bevor mein Album erschien, wurden alle Werbeaktionen gestrichen, angeblich aus dem Grund, weil ich gerade schlecht in den Medien stehe. Dabei rissen sich die Medien um ein Interview mit mir, es herrschte ein Andrang, wie ihn sich eine Pressestelle bei einer öffentlichen Person nur wünschen kann. Ich aber habe das Gefühl, dass mein Label das Album einfach nur hinter sich bringen will. Mein erstes Video »Weißt du wie es ist?« läuft vom ersten Tag an auf Hot Rotation bei MTV und ist auf Platz eins bei Urban TRL. Einige Tage später wird es auf FSK 18 gesetzt, angeblich hagelt es Beschwerden, es sei gewaltverherrlichend. Dabei ist es einer meiner harmlosesten Songs, ein Lied voller Hoffnung, das nichts mit Gewalt zu tun hat. Auch der Clip zum nächsten Song »Es tut mir leid« wird nach zwei Tagen verboten – und das ist der Moment, an dem ich mich frage, ist es wegen des Videos oder wegen mir ? Von Tag zu Tag wird deutlicher, dass Sony mich nur noch kleinhalten will, sie setzen sich nicht für mich ein, stellen alle Werbemaßnahmen ein und arbeiten nur noch aus einem einzigen Grund mit mir zusammen: weil der Vertrag noch läuft. So viel zum Thema Major. Das Einzige, was bestehen bleibt, ist das, was man selbst auf die Beine gestellt hat, alles andere wird von einem Mechanismus geleitet, den man nicht kontrollieren kann. Es ist an der Zeit, mich von Sony zu trennen, doch da gibt es noch diese eine Sache, die sie für mich tun müssen, bevor ich wieder meinen eigenen Weg gehe.

KAPITEL 18
Palästina
Ich warte auf diesen einen Tag, an dem der Vater nicht mehr trauernd weint.
Es ist sein Kind, das mit den Steinen schmeißt,
gegen Leute, die gepanzert in ihr’n Wagen sitzen bleiverteilend.
Selbst, wenn die Eltern unter Trümmern liegen,
sind wir zwar fassungslos enttäuscht,
doch du musst lernen deinen Feind zu lieben.
Massiv, Textauszug aus »Palastine«,
Ein Mann, ein Wort
    Ich strecke meinen Kopf aus dem fahrenden Auto, der Wind, der nach Sand, Meer und Freiheit schmeckt, weht mir ins Gesicht. Es ist eine wackelige Autofahrt über die unstabilen Straßen Palästinas, wo Bodenlöcher, so groß wie Krater, auf unserem Weg liegen. Ich sauge die wechselnden Bilder in mich ein. Wie eine Kamera versucht mein Gedächtnis jedes einzelne von ihnen festzuhalten. Steile Hügel, sandige Berge, angesprühte Häuserfassaden, die Jassir Arafats Porträt zeigen, herrenlose Ziegen am Straßenrand, elternlose Kinder, die neben einem Tank mit Steinen spielen. Diese Szene wirkt besonders intensiv auf mich. Ein Haufen lachender Kinder, zwischen Krieg und Trümmern, in Palästina. Was für mich ein ungewöhnliches Bild ist, ist hier Normalität. Ein Stein ist das wohl verbreitetste Spielzeug Palästinas, denn nachdem jegliche Infrastruktur, Häuser, selbst Bäume zerbombt wurden, liegen zumindest genug Steine in den Trümmern, mit denen sich die Kinder vergnügen können. Der stechende Geruch von Benzin liegt in der Luft, zerbröckelte Mauern aus Stein begegnen uns auf unserem Weg. Wie ergraute Greise stehen sie nebeneinander und schauen auf uns herab. Sie sind weise, voller Erfahrungen, haben bereits unzählige Familientragödien miterlebt und Schussverletzungen überlebt, nur sie kennen die wahren Geheimnisse, die Freuden und das Leiden der Menschen, die sie bewachen.
    Ein mit Obst bepacktes Fahrzeug kommt uns entgegen, ich ziehe ruckartig meinen Kopf zurück in den Wagen, bevor ich
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