Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Massiv: Solange mein Herz schlägt

Massiv: Solange mein Herz schlägt

Titel: Massiv: Solange mein Herz schlägt
Autoren: Massiv mit Mariam Noori
Vom Netzwerk:
ich meinen Namen eingebe, reiht sich eine Schlagzeile an die nächste. Es scheint, als hätte die gesamte Welt Wind davon bekommen. Ich lese mich in die Artikel hinein – habe ich mich gerade verlesen? Steht tatsächlich in einigen Berichten, es könnte sich um eine PR-Aktion handeln? Ich soll zu PR-Zwecken organisiert haben, angeschossen zu werden? Allein der Umstand, dass mir so etwas auch nur unterstellt wird, ist unfassbar. Alle großen und kleinen Zeitungen des Landes haben etwas über mich veröffentlicht, solche Zustände kennt man sonst auch nur aus Amerika. Hier in Deutschland passiert so etwas nicht, hier in Deutschland werden Rapper nicht angeschossen. Amerikanische Rapper werden angeschossen, das ist dort gang und gäbe, nichts Besonderes, aber deutsche ? Nein, wenn es aber doch passiert, kann es sich nur um eine Inszenierung handeln.
    Sind die Menschen hier blind? Sehen sie nicht, was in den Randbezirken der Städte passiert? Kriminalität ist wohl nur ein Wort, solange man nicht selbst zum Opfer wird oder die Zeitungen darüber schreiben. Noch am selben Tag erfahre ich auch den Grund für den großen Wirbel: Der Pressesprecher der Polizei hat fälschlicherweise verlauten lassen, es sei nur ein Streifschuss gewesen, und auf Anfragen der Reporter konnte die Polizei nicht ausschließen , dass ich mich absichtlich hätte anschießen lassen. Kurz darauf wurde diese Aussage aber korrigiert: Es sei ein Durchschuss gewesen und eine PR-Aktion könne definitiv ausgeschlossen werden. Doch da war es schon zu spät. Mit den Journalisten ist es wie mit Haifischen, die bereits von dem Geruch von Blut angelockt werden. Die Reporter hatten Blut geleckt – und das reichte aus, um eine fast menschenverachtende Hetzjagd gegen mich zu starten.
    Mir wurde vorgeworfen, eine Massenschlägerei und nun auch noch einen Schuss auf mich selbst inszeniert zu haben – es reicht! Ich bin außer mir vor Wut, will Stellung beziehen, doch der oberste Chef von Sony ruft bei mir an und bittet mich inständig, Ruhe zu bewahren. Dabei hagelt es Anfragen von allen namenhaften deutschen Sendern; die Journalisten campieren regelrecht vor meiner Haustür. Sony aber scheint mit dieser Situation vollkommen überfordert zu sein, sie wollen, dass diese unangenehme Sache so schnell wie möglich totgeschwiegen wird. Ich muss dem Zwischenfall – und damit dem Möchtegern-Killer – nicht noch mehr Aufmerksamkeit verschaffen, doch vorher muss ich Stellung beziehen und die Sachlage aufklären können. Solche Unterstellungen kann ich doch nicht auf mir sitzen lassen!
    Am Tag darauf quartiert mich mein Plattenlabel im Kempinski-Hotel ein. Ich soll mich entspannen . Moment, ich hatte keine stressige Arbeitswoche, sondern wurde angeschossen, und jeder denkt, ich hätte mich anschießen lassen – wie soll ich mich da entspannen ? Die Zeitungen spekulieren, verdrehen Tatsachen, zermürben meine Glaubwürdigkeit wie ein Mörser – und ich soll mich entspannen? Aber mein Label fordert mich auf, ruhig zu bleiben, weil jede meiner zukünftigen Erklärungen das Vertragsverhältnis gefährden könnte. Ashraf besucht mich in meinem Luxushotelzimmer. Er kann es immer noch nicht fassen, dabei hat er schon mehrere Mordversuche überlebt, aber er ist Mitglied eines Clans, ist auf der Straße aufgewachsen, ich bin nur ein Rapper – wieso passiert mir so etwas? Seine Augen funkeln vor Wut, weil er noch nicht herauskriegen konnte, wer mich angeschossen hat. Manchmal kommen Leute wie Ashraf schneller an Informationen als die Polizei, gerade wenn man es mit einem Maulhelden zu tun hat. Dieses Mal aber ist es wie mit der Suche nach einem Phantom. Keiner von uns weiß, wer der Täter ist, es gibt genug einzelne Männer, Clanmitglieder, übermütige Teenager, die mir aus vielerlei Gründen etwas antun wollen würden; um sich zu brüsten, ein Zeichen zu setzen oder auch einfach nur, um mich aufzuhalten.
    »Es ist schon schlimm genug, dass dieser Bastard es geschafft hat, dich anzuschießen, ich kann nicht glauben, dass Sony dir den Mund zuklebt.« Ashraf schüttelt den Kopf und zieht an seiner Zigarette. Der Rauch steigt auf, doch der Feuermelder zeigt keinerlei Reaktion. Ashraf macht immer das, wonach ihm gerade ist; raucht, wenn rauchen verboten ist, parkt, wenn parken verboten ist, handelt, auch wenn es nicht erlaubt ist.
    »Es ist ein Albtraum, die Leute halten mich für einen Spinner, der sich hat anschießen lassen.« Ich nehme eine Schmerztablette, denn das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher