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Maskerade

Maskerade

Titel: Maskerade
Autoren: Noah Berg
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dass Tom es einladend gemeint haben könnte.
    Aus einem spontanen Gefühl heraus setzt sich Sascha nicht neben Tom auf die Couch, wie er es normalerweise getan hätte, sondern in den weißen Designersessel aus Leder, der der Couch gegenüber steht.
    Er sieht Tom an, der die Ellbogen auf seinen gespreizten Oberschenkeln abgestützt hat, das Kinn auf seinen gefalteten Händen aufliegend.
    Plötzlich steht Tom ruckartig auf und beginnt im Raum herumzulaufen.
    Sascha folgt ihm mit seinen Blicken während er sich fragt, was hier eigentlich los ist.
    „Okay, Sascha. Ich mache es kurz“, setzt Tom an.
    Sein Ton ist dabei geschäftlich, sachlich und in Sascha breitet sich immer weiter dieses diffuse Gefühl aus, das er schon spürt, seit er die Wohnung betreten hatte.
    „Was ist los, Tom?”, fragt er unsicher.
    „Dazu komme ich jetzt“, antwortet Tom gereizt, der stehen geblieben ist und mit dem Rücken zu einem der großen Fenster steht, die sich über den ganzen Raum verteilen. Er stützt sich mit den Händen auf der Fensterbank ab und durch das schwächer werdende Gegenlicht, das noch durchs Fenster fällt, kann Sascha Toms Gesichtszüge nur erahnen.
    „Ich brauche Geld, Sascha“, setzt Tom an, „verstehst du?“
    Nein, Sascha versteht nicht, aber das diffuse Gefühl in ihm beginnt allmählich Konturen anzunehmen.
    „Ä-hm, nein. Ich glaube, ich verstehe nicht“, antwortet er langsam.
    „Okay. Also noch mal. Ich brauche Geld“, wiederholt Tom, jedes Wort betonend. Nach einer kurzen Pause fügt er noch hinzu: „Und du wirst es mir geben, Sascha.“
    Sascha versucht weiter angestrengt, Toms Gesichtszüge zu erkennen, aber es gelingt ihm nicht. Er glaubt, sich verhört zu haben. Er glaubt, Tom mache einen schlechten Scherz.
    „Was?“
    „Komm’ schon, Sascha! Du hast mich schon verstanden.“
    Toms weiterhin nüchterner, geschäftlicher Tonfall und sein seltsames Verhalten machen Sascha allmählich wütend.
    „Sag’ mal, was ist hier eigentlich los?“, fragt er verärgert. „Wir waren doch heute verabredet, oder irre ich mich? Und was faselst du da von Geld?“, versucht er sich Klarheit zu verschaffen, während er sich im Sessel vorlehnt. Er hatte sich diesen Abend, weiß Gott, anders vorgestellt.
    „Du bist verwirrt. Okay“, nimmt Tom Saschas Stimmung nachsichtig auf.
    „Also Sascha“, holt er aus. „Sieh’ dich um. Sieh’ dich in dieser Wohnung um!“, sagt er auffordernd.
    „Glaubst du, ich bezahle all das hier von meinem Studenten Bafög?“
    Als Sascha nicht antwortet, fährt Tom fort und sein Ton klingt dabei weiterhin nachsichtig, als versuche er, einem Kind etwas zu erklären.
    „Nein. Natürlich kann sich ein Student ein solches Leben nicht leisten, Sascha. Das leuchtet auch dir ein, oder nicht? Mein Nebenverdienst, von dem du im vergangenen Jahr schon sooft Gebrauch gemacht hast, ist lukrativ. Das gebe ich gerne zu. Aber ich bin anspruchsvoll, Sascha.“
    Tom ist auf Sascha zugekommen und lässt sich nun wieder breitbeinig auf der Couch ihm gegenüber nieder. Er lehnt sich vor und Sascha sieht kein Funkeln mehr in dessen Blick, sondern Entschlossenheit und Härte.
    „Ich bin anspruchsvoll“, wiederholt er. „Und ich will mehr. Mehr als das hier, verstehst du?“ Mit einer weit ausholenden Geste beschreibt er einen Halbkreis durchs Zimmer.
    „Was ist los? Hast du Schulden?“, fragt Sascha, der immer noch nicht ganz begreift.
    Tom schüttelt ungeduldig den Kopf und rollt mit den Augen.
    „Herr Gott, Sascha. Seit wann bist du so begriffsstutzig?“, fragt er aufgebracht.
    „Wenn du Schulden hast und Geld brauchst, kann ich schauen, was ich dir leihen kann“, beharrt Sascha weiter.
    Tom wirft sich auf der Couch zurück und lacht auf. Er scheint tatsächlich amüsiert.
    „Okay, du bist wirklich langsamer, als ich dachte.“
    Er beugt sich wieder vor, sieht Sascha direkt in die Augen und sein Tonfall wird leiser und klingt plötzlich bedrohlich: „Klartext, Sascha. Wenn du nicht willst, dass deine Frau Anke oder sonst wer erfährt, dass du neben deinem kleinen, ach so biederen Leben noch ein ganz anderes Leben führst, kommt dich mein Schweigen darüber ab sofort teuer zu stehen“, zischt er.
    Dann steht Tom wieder auf und beginnt erneut im Raum hin und her zu laufen.
    Sascha sitzt bewegungslos auf dem weißen Designersessel. Er kann sich plötzlich nicht mehr bewegen und glaubt, dass alles hier, diese ganze Situation, die ihm so absurd vorkommt, nur ein schlechter Traum sein
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