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Maskerade

Maskerade

Titel: Maskerade
Autoren: Noah Berg
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verschwitzt auf dem großen, weißen Teppich im Wohnzimmer.
    Sascha möchte am liebsten nie wieder aufstehen. Der Teppich ist flauschig und weich und dick genug, um die Kühle der darunter liegenden Fliesen abzuhalten.
    Kurz blitzt der Gedanke auf, dass er es mit Anke noch nie auf dem Fußboden getrieben hat. So plötzlich wie dieser Gedanke auftaucht, ist er auch wieder verschwunden. Dieser Moment ist einfach zu perfekt, als dass Anke darin Platz finden könnte.
    So liegen Sascha und Tom eine zeitlang nur da und Sascha fühlt sich ganz leicht. Der Schlaf will ihn gerade übermannen, als Toms Stimme den Augenblick jäh zerstört. 
    „Sag' mal, warum bist du eigentlich nicht geoutet?"
    Sascha öffnet langsam und nur widerwillig die Augen, noch nicht bereit, den Moment vorübergehen zu lassen. Leicht irritiert und etwas benommen fragt er:
    „Was?"
    „Wieso bist du nicht geoutet?“, wiederholt Tom seine Frage.
    „Ich meine, du kommst jetzt schon seit einem Jahr zu mir und hast mir in dieser Zeit schon soviel von dir erzählt. Aber warum du überhaupt dieses Doppelleben führst, darüber hast du noch nie
    gesprochen.“
    Sascha verflucht Tom kurz, da er nun wieder hellwach ist.
    „Ich weiß nicht, ob ich verstehe, was du meinst“, gibt er immer noch leicht irritiert zurück.
    „Was ich meine? Ich meine, was ist eigentlich  dein Problem?", fragt Tom erneut und Sascha erkennt tatsächliches Interesse in dessen Stimme.
    Er atmet tief ein und aus und es fühlt sich für ihn  fremd an, dass er aufgefordert wird, über dieses Thema zu reden. Das hat er bisher in seinem ganzen Leben mit noch niemandem getan.
    Tom hat sich mittlerweile auf die Seite gedreht, stützt seinen Kopf mit einem angewinkelten Arm ab und blickt Sascha offen ins Gesicht. Eine Augenbraue hochziehend wartet er auf Saschas Antwort.
    „Du willst das wirklich wissen?", fragt Sascha sich räuspernd.
    Toms Nicken wirkt einladend und zögerlich beginnt Sascha zu antworten:
    „Ich kann das einfach nicht. Die Frage hat sich irgendwie nie wirklich für mich gestellt. Es war für mich immer klar, dass ich mich niemals outen würde."
    „Niemals? Das ist ein starkes Wort, oder?“, fragt Tom nachdenklich.
    „Nein, niemals“, bekräftigt Sascha.
    „Aber ist das nicht eine enorme Qual? Allein die Vorstellung, auf Dauer  ein Doppelleben führen zu müssen, finde ich für mich persönlich so abwegig!“
    „Siehst du? Und ich finde es für mich persönlich abwegig, das Leben eines Homosexuellen führen zu müssen. Ich will nicht am Rande der Gesellschaft stehen. Ich will mich nicht ständig und überall rechtfertigen oder auch nur erklären müssen. Ich will dazugehören.“
    Er sieht Tom an und hat plötzlich das Gefühl, dass diesen irgendetwas zu beschäftigen scheint. Etwas, das mit dessen eigentlicher Frage gar nichts zu tun hat. Doch dann überlegt Tom laut:
    „Ich meine, leben wir denn  nicht im 21. Jahrhundert?"
    „Doch leben wir", antwortet Sascha und setzt dann nach, „für die jungen Schwulen von heute ist es vergleichsweise leicht, Gleichgesinnte zu finden. Es gibt Jugendgruppen, Beratungsstellen und CSD Veranstaltungen  in jeder größeren Stadt. Es gibt homosexuelle Charaktere in wirklich guten Büchern, Serien oder Filmen und Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen und sich geoutet haben. Was ich meine, ist, dass die Schwulen und Lesben von heute viel mehr Identifikationsmöglichkeiten haben, die ihnen zu einem völlig anderen Selbstbewusstsein und Selbstverständnis verhelfen können. Ich bin sechsundvierzig Jahre alt, Tom, in meiner Jugend war das komplett anders", versucht er zu erklären.
    „Aber wir reden doch von heute. Die Möglichkeiten, die es heute gibt, kannst doch auch du nutzen", gibt Tom zu bedenken.
    Sascha setzt sich auf, winkelt die Knie an und schlingt seine Arme darum.
    „Das ist nicht so einfach, wie es dir vielleicht erscheint."
    „Warum nicht?", hakt Tom weiter nach.
    „Es gibt heutzutage doch sogar Gruppen für schwule Väter!“, fügt er noch hinzu.
    Irgendwie fühlt sich Sascha nun von Tom bedrängt. Er mag nicht weiter darüber reden. Er mag sich eigentlich überhaupt nicht mit diesem Thema auseinander setzen und schlägt deshalb vor:
    „Lass uns das Thema wechseln, okay?"
    Tom seufzt auf, setzt sich ebenfalls aufrecht und es scheint, er will sich so schnell nicht geschlagen geben, denn nach kurzem Schweigen stellt er fest:
    „Du hast richtig Schiss davor, jemand könnte es
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