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Marlene Suson 1

Marlene Suson 1

Titel: Marlene Suson 1
Autoren: Die Mitternachts-Braut
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großen

schwarzen Buchstaben, und etwas kleiner darunter: „Thomas Acker, Inhaber‚.
    Die Stallknechte der Posthalterei wechselten rasch und sach- kundig die Pferde vor Jeromes Kutsche für das letzte Stück der Reise. Das sonst blitzblank geputzte Ebenholz war jetzt von ei- ner dicken Schmutzschicht bedeckt. Dies war der erste Tag der ganzen mühseligen und unerfreulichen Reise, an dem es nicht wie aus Kübeln goß, doch der seit Tagen anhaltende Dauerregen hatte die miserablen Straßen in schier unpassierbare Schlamm- löcher verwandelt.
    Im Innern der Kutsche zog jemand die Vorhänge vor die matsch- besprenkelten Fenster, so daß man nicht hineinschauen konnte.
    Neidvoll beäugte Mr. Acker den mächtigen braunen Hengst, den Jerome ritt. „Hab noch nie ‘n feineres Pferd gesehen. Wäre selbst liebend gern Stallknecht, wenn ich dann so’n Vollblut rei- ten dürfte. Wenn ich mir Kutsche und Pferde so anseh, würd’ ich meinen, daß dein Herr ‘n willkommenes Fressen für Gentleman Jack is’. Wer is’ er?‚
    „Der Duke of Westleigh.‚
    „Scheint ja mächtig vornehm zu sein, dein Herr‚, gab Mr. Acker sichtlich beeindruckt zurück und wies auf die zugezoge- nen Vorhänge der Kutsche. „Zeigt er darum sein Gesicht nicht? Hält sich wohl zu gut für unsereins.‚
    „Ganz und gar nicht‚, widersprach Jerome befremdet. „Er ... hm ... hält gerade ein Schläfchen.‚
    „Wie lange bist du schon Stallknecht beim Herzog?‚
    Jerome war bereits versucht zu antworten: ,seitdem ich mit Ihnen spreche’, doch statt dessen sagte er: „Seit einer Weile.‚
    Ferris neben ihm gab einen eigenartig erstickten Laut von sich. Er war der Reitknecht des Herzogs und ritt eine jüngere, etwas kleinere Kopie von Jeromes Braunem.
    Als die Stallburschen mit dem Pferdewechsel fertig waren, sprengten Jerome und Ferris vom Hof der Posthalterei, und die Kutsche folgte ihnen.
    „Wie gefällt es Ihnen, Stallknecht eines Herzogs zu sein?‚ fragte Ferris grinsend.
    Jerome schaute an sich hinab und schmunzelte. Er hatte seine übliche, dem hohen Range eines Herzogs entsprechende Aufma- chung gegen praktische Reisekleidung eingetauscht. Ein derber Lederleibrock schützte ihn vor Wind und Wetter. Seine Reithose aus abgeschabtem Leder und die ramponierten Stiefel waren

von oben bis unten mit Schlamm bespritzt. Es wäre sinnlos ge- wesen, bei diesen Straßenverhältnissen gute Kleidung zu tragen. Nur das unter dem Rock verborgene Hemd aus feinstem Batist verriet, daß er wohl doch kein einfacher Stallknecht war.
    Wenn sie den Fluß erreicht hatten, würde Jerome ein Bad neh- men und dann die saubere Kleidung anlegen, die sein Kammerdi- ener – augenblicklich der einzige Insasse der Reisekutsche – für ihn bereithielt. Bei seinem Eintreffen auf Wingate Hall würde Jerome so auftreten, wie es einem Herzog gebührte.
    Obwohl Jerome selbst nicht viel auf modischen Schnick- schnack gab, war sein Vater in diesen Dingen um so pedantischer gewesen. Er hatte seinem Sohn schon im frühesten Kindesalter eingeprägt, daß, wann immer der Duke of Westleigh öffentlich in Erscheinung trat, sein Äußeres bis ins kleinste Detail seinem hohen Rang entsprechen müsse.
    „Wenn ich mich wie ein Stallknecht kleide, muß ich auch da- mit rechnen, für einen solchen gehalten zu werden‚, bemerkte er gleichmütig. „Ich bezweifle, daß Mr. Acker die Wahrheit ge- glaubt hätte.‚
    „Da hätte er Sie schon eher für Gentleman Jack gehalten.‚ Ferris grinste noch breiter. „Aber das liegt nicht nur an den Kleidern. So ein ,mächtig vornehmer’ Herr würde sich doch nie herablassen, mit seinem Reitknecht über Land zu ziehen.‚
    Für Jerome jedoch war Ferris viel mehr als nur sein Reit- knecht. Als Kinder waren sie trotz der unterschiedlichen Her- kunft Freunde gewesen, und das hatte ein Band zwischen ihnen geschmiedet, das sowohl die Zeit als auch jeden Standesunter- schied überdauert hatte. Ferris gehörte zu den wenigen Men- schen, in deren Gesellschaft der Herzog sich entspannen und ganz er selbst sein konnte.
    Und Jerome genoß diese seltenen Gelegenheiten, wenn er nicht standesgemäß als Aristokrat auftreten mußte, sondern der Mann sein konnte, der er vielleicht geworden wäre, hätte er das Licht der Welt nicht als Sohn eines Herzogs erblickt.
    Bei dem Gedanken an seine Ahnen mußte er unwillkürlich grinsen. Es wäre wahrlich ein Schock für sie gewesen, ihn so zu sehen – ohne die Fassade der Unnahbarkeit, hinter die er sich vor all
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