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Markus, glaubst du an den lieben Gott? (German Edition)

Markus, glaubst du an den lieben Gott? (German Edition)

Titel: Markus, glaubst du an den lieben Gott? (German Edition)
Autoren: Markus Majowski
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könne sich sehr schnell in sein genaues Gegenteil verwandeln – und auch dabei würde er aufrichtige Freude empfinden. Es wäre aber trotzdem eine gute Idee, seine Autorität bisweilen zu hinterfragen. Wir hätten also die Wahl, entweder die Chance zu nutzen, Wissen und Geschicklichkeit mit Spaß zu erwerben – oder eben nicht. Ohne Spaß sei von ihm kein Unterricht zu erwarten. Wenn jemand keine Lust habe auf Freude an Latein und der Geschichte dieser Sprache, dann sei es besser, die Klasse zu wechseln. Dabei grinste er breit. Klug war das von ihm! Herr Sch. schaffte es, dass jeder seiner Schüler seine Stunden freudig erwartete, weil es bei ihm immer etwas Komisches und Außergewöhnliches zu entdecken gab. Er forderte uns heraus. Ich hatte manchmal das Gefühl, dass er seine antike Schale über uns ausfließen ließ. Er sah sich die Wirkung an und freute sich wie ein Kind, wenn uns Flügel wuchsen.
    Meine Musiklehrer und Musiklehrerinnen am Gymnasium waren ebenfalls großartige Mentoren. Sie sind ausnahmslos mit Humor ans Werk gegangen, jeder meiner Mitschüler hatte die Chance, Musik auf seine eigene Weise zu erleben. Ein Leben ohne Musik ist nur halb so schön.
    Von meiner Deutschlehrerin, Frau D., habe ich viel über Nächstenliebe und moralische Verantwortung und deren Grenzen gelernt. Und wahrscheinlich hat sie mir genau die Feinheiten aufgezeigt, die den Unterschied ausmachen zwischen einem Gutmenschen und einem Menschen, der Gutes tut. Der Selbstzweck und das Tun für die Gemeinschaft liegen trügerisch nah beieinander, das zeigte sie mir auf. Das Problem war nur, dass ich gleich loslegen wollte und nicht die richtigen Werkzeuge zur Hand hatte. Die Einsicht, dass es notwendig ist, sich sozial zu verhalten, ist schön und gut. Aber mein Umfeld war nicht dazu geeignet, soziales Engagement zu leben. Keiner aus meiner Clique hatte die geringste Ahnung, wie so etwas überhaupt geht, sozial zu sein. Selbst ich ging dazu über, meine geheimen Wünsche zu belächeln und nahm stattdessen lieber Drogen. Damals fing es an, wirklich blöd zu laufen. Machen wir uns nichts vor: Drogen im Alter von 15 Jahren zu nehmen, ist der allergrößte Unsinn. Ganz abgesehen davon, dass es sowieso Unsinn ist, Drogen zu nehmen, egal, wie alt man ist. Und sich zu betäuben unterstützt nicht unbedingt das Bemühen, den Fortbestand einer lebenswerten Gesellschaft durch soziales Verhalten zu stärken.
    Damals begebe ich mich auf Spurensuche und verwechsle dabei mein Schülerdasein mit der magischen Welt indianischer Schamanen. Ich bin aber kein Schamane! In vielen Völkern hatte und hat auch heute noch nur der Schamane Zugang zu Rauschmitteln. Mit seinen dadurch erzeugten Visionen berät und führt er bisweilen einen ganzen Stamm. Hatte ich derartige Berateraufträge? Nein!
    Damals wünschte ich mir sehnlichst eine wahre Partnerin fürs Leben. Was geschah? B. – ein Punkmädchen kreuzte meinen Weg, und ich unternahm den Versuch, sie zu lieben. Meine Flamme war frisch von einer Schule für schwer erziehbare Mädchen zurück aufs Gymnasium gekommen. Ihr Vater, ein Senator in Berlin, hatte vor seiner Tochter kapituliert. Ich übernahm – endlich hatte ich eine Aufgabe. Das wurde ein spannendes, reichlich nervenaufreibendes Unterfangen. B. machte ein Jahr vor mir Abitur, verließ mich und hinterließ ein gutes Gefühl bei mir. Wiedersprüchlich? Nein, höchstens ungewöhnlich. Neulich hörte ich einen Ausspruch, der damals auf mich zutraf: „Leben bedeutet, einen festen Stand wie ein Ringer an den Tag zu legen; tänzelnder Schritte bedarf es nicht.“ Ich ahnte damals, dass es dauern würde mit der wahren Partnerin fürs Leben. Doch meine Vorfreude auf das Glück und mein Wissen über die Dinge hinter den Dingen wuchs.
    Die Zunahme von Wissen entfachte bei mir bald eine sehr bekannte andere menschliche Flamme: die Hybris. Ich ruhte mich auf meinen Lorbeeren aus. Herr Sch. trat mir in den Hintern und Frau D. pflanzte mir noch mehr Hoffnung ins Herz. Ich spielte das „Wohltemperierte Klavier“ von Bach hoch und runter, und eines Tages sagte ich mir: Das muss jetzt reichen. Diszipliniertes Üben am Klavier gehörte von diesem Augenblick der Vergangenheit an, und ich begann, meine Freizeit mit Lesen, Schreiben und Schachspielen zu füllen. Immerhin hat mir diese Bildung nicht geschadet. Im Hintergrund blieb Frau D. präsent. Ich hing dieser einfühlsamen und zugleich strengen Frau so sehr an den Lippen, dass ich mich sogar mit einigen
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